Unbrauchbare Mitgliedsausweise: Auf die Vorumsatzdeckung in der IT-Betriebshaftpflicht kommt es an

Die Tücke liegt bei diesem echten Schadenfall in der Chronologie: Erst programmierte ein IT-Experte eine Software, dann erst schloss er eine IT-Betriebshaftpflicht ab. Es kam, wie es kommen musste: Die Software war fehlerhaft – und am Ende forderte der Auftraggeber Schadenersatz in Höhe von 23.000 Euro. Warum der Versicherer Hiscox diese Summe übernahm – obwohl der IT-Experte bei Projektbeginn noch keinen Versicherungsschutz hatte – und was das mit der Vorumsatzdeckung in den Versicherungsbedingungen zu tun hat: der ganze Fall.

Fallstrick 1: Vorumsätze in der IT-Betriebshaftpflicht mitversichert?

30.000 Mitgliederausweise in den Sand gesetzt: Software funktioniert nicht

Der Versicherungsnehmer, ein erfahrener IT-Experte, hatte für einen großen deutschen Sportverband eine Individualsoftware angefertigt. Mit ihr wollte der Verband für seine Vereine Mitgliedsausweisen erstellen, die mit einem speziell aufgedruckten Logo personalisiert sind – und deshalb auch mit entsprechenden Berechtigungen versehen werden können.

In den ersten drei Monaten der Ausweisproduktion (Dezember 2008 bis Februar 2009) schien das auch reibungslos zu funktionieren – doch hagelte es plötzlich Beschwerden: Die Berechtigungen auf 30.000 Ausweisen waren falsch vermerkt. Ein Fehler, der eindeutig audf das Datumsfeld der vom IT-Dienstleister entwickelten Kennzeichnungsroutine zurückgeführt werden konnte. .

Die IT-Betriebshaftpflicht der Hiscox übernimmt den Schaden

Am Ende mussten 30.000 Ausweise neu produziert und an die einzelnen Vereine versendet werden – Kostenpunkt: 23.000 Euro. Dass der Sportverband auf dieser Summe nicht sitzenbleiben wollte, versteht sich von selbst. Deshalb forderte er den Betrag von seinem Dienstleister, dem IT Experten, zurück.

Glück im Unglück: Dieser hatte nach Start des Softwareprojekts im Dezember eine IT-Betriebshaftpflicht beim Spezialversicher Hiscox abgeschlossen. Telefonisch meldete er den Schaden und reichte eine schriftliche Schadenmeldung sowie die Unterlagen zur Schadenersatzforderung des Sportverbandes nach.

Das Ergebnis: Obwohl die IT-Betriebshaftpflicht zu diesem Zeitpunkt erst zehn Wochen bestand, machte sich die Schadenspezialistin des IT-Haftpflichtversicherers Hiscox sofort an die Bearbeitung des Schadenfalles – und zahlte nach Klärung einer offenen Frage unkompliziert dem Verband die geltend gemachte Summe.

Die im Versicherungsvertrag geregelte Selbstbeteiligung wurde dem IT-Experten in Rechnung gestellt.

Versichert oder nicht versichert? Es kommt darauf an

In diesem realen Schadenfall hat der Versicherer den Vorgang einfach und unkompliziert abgewickelt, was an der professionell agierenden Schadensabteilung und an den klar definierten Versicherungsbedingungen lag. Diese formulierten hier deutlich, welche Tätigkeiten und Risiken versichert waren – und welche Ausschlüsse es gab.

Wer im Schadenfall eine ähnlich reibungslose Abwicklung erwartet, muss in den Versicherungsbedingungen einer IT-Betriebshaftpflicht zwei Fallstricke besonders achten.

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Fallstrick 1: Vorumsätze in der IT-Betriebshaftpflicht mitversichert?

 Im geschilderten Beispiel lagen Versicherungsbeginn und Schadenfall nur zehn Wochen auseinander. Die Software selbst wurde sogar vor dem Beginn der Versicherung erstellt, was heißt: Der IT-Dienstleister hatte den überwiegenden Teil seiner Leistungen  bereits vor dem Abschluss der Versicherung erbracht.

Es stellt sich die Frage: Ist der Schaden

Aus der Versicherungspraxis ergeben sich zwei Antworten:

Wichtig: In der IT-Betriebshaftpflicht des Softwareentwicklers aus dem geschilderten Schadenfall war eine unbegrenzte Vorumsatzdeckung (Vorwärtsversicherung) vereinbart. Da das fehlerhafte Datumsfeld in der Kennzeichnungsroutine erst im Februar 2009 zu falsch erstellten Ausweisen führte – also während die IT-Betriebshaftpflicht schon bestand – wurde der Vermögensschaden vom Versicherer übernommen.

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Fallstrick 2: Experimentier- und Erprobungsklauseln

In Versicherungsbedingungen tauchen häufig so genannte Experimentier- und Erprobungsklauseln auf, die Schäden ausschließen, weil

Solche Experimentier- und Erprobungsklauseln könnten etwa lauten – zwei Beispiele:

1. «Versicherungsschutz wird nur gewährt für ... Schäden, die TROTZ Beachtung des anerkannten Standes der Technik und Methodik, der Einhaltung branchenüblicher Qualitätssicherungsverfahren (insbesondere Test- und Abnahmeverfahren) oder sonst anerkannter Regeln des Software-Engineerings eingetreten sind.»

2. «Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind: … Ansprüche aus Sach- und Vermögensschäden durch Erzeugnisse und IT-Leistungen, deren Verwendung im Hinblick auf den konkreten Verwendungszweck nicht nach dem Stand der Technik – bei Software ohne übliche und angemessene Programmtests- oder in sonstiger Weise ausrechend erprobt waren.»

Ob im Fall des IT-Experten und seiner fehlerhaften Software ausreichende und angemessene Programmtests durchgeführt wurden oder ob durch sie der Fehler im Datumsfeld der Routine vorzeitig hätten lokalisiert werden können – das bleibt offen.

Nicht viel Fantasie benötigt man allerdings, um sich vorzustellen, dass sich ein Versicherer mit derartigen Klauseln ein „Hintertürchen“ offenhält, um nicht zahlen zu müssen.

Die Empfehlung: Keine Verträge mit solchen Klauseln abschließen!

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