Interview: Risiken von IT-Freelancern und deren Versicherbarkeit - Allgemeine Risiken - Teil 1

Auch der Berufsoptimist unter den IT-Freelancern gibt es zu: Das Leben ist voller Gefahren. Und wem das nicht völlig egal ist, der macht sich so seine Gedanken über die Haftungsrisiken seiner Branche - und damit auch über bedarfsgerechten Versicherungsschutz. Was freiberufliche IT-Experten dabei wissen sollten, darüber sprach das IT-Projektportal GULP mit Ralph Günther.

Unterschied Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler
Tipps zur privaten und gesetzlichen Krankenversicherung
Warum die Berufsunfähigkeitsversicherung so wichtig ist

Der Versicherungsexperte ist Geschäftsführer von exali - dem Versicherungsportal für Dienstleister und freie Berufe. Er war entscheidend daran beteiligt, dass zum Angebot für GULP Member auch eine Berufshaftpflichtversicherung gehört - die sogenannte IT-Haftpflicht.

Welche Versicherungen braucht denn ein IT-Freelancer?

Günther: Und schon sind wir beim Problem einer Pauschalantwort, denn letztendlich kommt es bei Versicherungen immer auch auf die individuellen Gegebenheiten beim jeweiligen Freiberufler an. Hat er Familie oder ist er Single? Ist er eher risikobereit oder doch lieber vorsichtig? Muss er für eine Altersvorsorge selbst sparen oder erbt er ein Haus? Wie sehen seine steuerliche Situation und seine Zukunftsplanungen aus?

Es gibt also eine Menge Dinge, die zu beachten sind - ebenso wie es eine große Menge an Versicherungsmöglichkeiten gibt.

Über die man sich ja überall informieren kann ...

Günther: Das stimmt. Sich Informationen über Versicherungen zu verschaffen, ist in Zeiten von Internet überhaupt kein Problem mehr. Das ist aber auch die Crux, denn es besteht hier kein Informationsdefizit, sondern ein immenser Informationsüberfluss. Sich da zu orientieren, ist schwierig - ganz abgesehen davon, wie diese Infos im Einzelnen zu bewerten sind.

Weshalb viele IT-Freelancer gleich zum Fachmann gehen - dem Versicherungsmakler oder Versicherungsvertreter. Was ist eigentlich der Unterschied?

Günther: Der Versicherungsvertreter ist nur für eine Gesellschaft tätig und dieser auch verpflichtet. Was bedeutet, dass er auch nur Produkte dieses Versicherers anbieten darf - und in der Konsequenz naturgemäß in seinem Portfolio auch beschränkt ist.

Ein Versicherungsmakler dagegen ist unabhängig von einer einzelnen Versicherung - sein Angebot umfasst im Idealfall alle Produkte aller Versicherungsunternehmen.

Unabhängig von den individuellen Voraussetzungen und Ansprüchen der IT-Freelancer - lassen sich dennoch ein paar Versicherungen nennen, die man unbedingt haben sollte?

Günther: Natürlich, denn mit dem Wechsel in die Freiberuflichkeit kann der IT-Experte grundsätzlich erst einmal das Netz der Sozialversicherung (u. a. gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung inklusive Erwerbsminderung, sowie die Mitgliedschaft in der Berufsgenossenschaft) verlassen.

Deshalb ist jede Versicherung, die gegen existenzbedrohende Haftungsrisiken absichert, ein Muss. Und dazu gehören zuallererst Haftpflicht, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung, Unfallversicherung und Krankenversicherung inklusive Tagesgeld.

Nicht ganz so bekannte Bausteine wie eine Dread-Disease- oder eine Grundfähigkeiten-Versicherung möchte ich der Vollständigkeit halber auch erwähnen, da diese sinnvolle Ergänzungen oder auch Alternativen in bestimmten Situationen darstellen können.

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Gehen wir die Versicherungen einmal kurz einzeln durch - was ist bei der Krankenversicherung zu beachten?

Günther:Ob in der privaten oder freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung, für diese Entscheidung sind unter anderem der gewünschte Leistungsumfang, eine eventuell bereits vorhandene Krankengeschichte und auch die familiäre Situation maßgeblich.

Wer Alleinverdiener ist, Kinder und die Ehefrau zu versichern hat, für den könnte trotz der vielen Vorteile der privaten dennoch die gesetzliche Krankenversicherung als Familienversicherung Beitragsvorteile bieten.

Während für Singles die Sache doch klar ist, oder?

Günther: So klar ist das Votum für eine Privatversicherung nun auch wieder nicht, denn auch als Single sollte man in jedem Fall seine Zukunftsplanungen bei Entscheidungen zumindest im Hinterkopf haben und daran denken, dass der Weg zurück in die gesetzliche Krankenversicherung sehr schwierig und in Einzelfällen nahezu unmöglich ist.

Warum müssen Frauen mehr bezahlen als Männer?

Günther Weil sie statistisch gesehen mehr medizinisch bedingte Ausfallzeiten haben, als Männer - zum Beispiel durch Schwangerschaft und die Geburt von Kindern. Nicht zuletzt deshalb verlangen die Versicherer bei Frauen einen höheren Beitrag. Das ist übrigens nicht nur bei der Krankentagegeldversicherung so, sondern trifft auch bei den Krankenvollversicherungen und bei Krankenzusatztarifen gleichermaßen zu.

Ein Weg zurück - diese Frage stellt sich bei einer privaten Haftpflichtversicherung nicht.

Günther: Diese Versicherung sollte überhaupt nicht in Frage gestellt werden, denn sie ist aus meiner Sicht der wichtigste Baustein in der Risikoabsicherung eines jeden Menschen.

Ohne private Haftpflichtversicherung kann schon eine kleine Unvorsichtigkeit den Ruin der Existenz bedeuten, wenn zum Beispiel dadurch ein anderer Mensch dauerhaft geschädigt wird. Der Gesetzgeber sieht hier nämlich eine unbegrenzte Haftung vor.

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Die Notwendigkeit einer privaten Haftpflichtversicherung liegt auf der Hand, aber warum sollte ein IT-Freelancer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen? Es müsste doch viel passieren, damit er nicht mehr arbeiten kann ...

Günther: Täuschen Sie sich nicht. Zugegeben, wenn man nicht täglich damit zu tun hat und keinen offensichtlich gefährlichen oder gesundheitsschädigenden Beruf ausübt, dann klingt diese Versicherung etwas theoretisch. Tatsächlich ist es aber so, dass man auch als freiberuflicher IT-Experte sehr schnell berufsunfähig werden kann. Rückenbeschwerden bis hin zum Bandscheibenvorfall, psychische Erkrankungen jeglicher Art wie das “Burnout-Syndrom” oder chronische Erkrankungen - es gibt unzählige Gründe für eine Berufsunfähigkeit, an die man heute vielleicht noch gar nicht denkt.

Immerhin werden jedes Jahr rund 280.000 Bundesbürger bzw. etwa ein Viertel aller Berufstätigen vor Erreichen des Rentenalters berufsunfähig. Und wenn man nicht mehr arbeiten kann und nicht für diesen Fall vorgesorgt hat, dann ist dies für den Freiberufler der Super-GAU.

Der auch eintritt, wenn man wegen eines Unfalls nicht mehr arbeiten kann ...

Günther: Weshalb man in der Konsequenz auch über eine Unfallversicherung nachdenken sollte. Diese Versicherung darf allerdings keinesfalls als “Ersatz” für die Berufs-/ Erwerbsunfähigkeitsversicherung gesehen werden, denn sie deckt ja nur einen bestimmten Ausschnitt davon ab.

Man beachte: Nur etwa zehn Prozent aller Erwerbstätigen werden aufgrund eines Unfalls berufsunfähig. Und nur dieser Bereich wird von der Unfallversicherung abgedeckt.

Das waren bis jetzt Versicherungen, die ganz schnell aktuell werden können. Wie sieht es mit dem Alter und einer Rentenversicherung aus?

Günther: Hinsichtlich Altersvorsorge gibt es die verschiedensten Möglichkeiten, wobei ich nur wenige Gründe dafür sehe, nach dem Wechsel in die Freiberuflichkeit weiter und freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen. Das könnte gegebenenfalls ein bestimmtes Krankheitsbild sein, das den Weg in eine private Vorsorge erschwert - oder es ist zum Beispiel der Umstand, dass man erst in sehr reifem Alter ein Freiberufler geworden ist und schon sehr lange in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat.

Wer vor dem 2. Januar 1961 (Stichtagsregelung im Rahmen der Rentenreform 2000) geboren ist, kann sich beispielsweise durch Zahlung des freiwilligen Mindestbeitrages in die gesetzliche Rentenversicherung zumindest noch einen gewissen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente sichern.

Umfassende Altersvorsorge ist aber nicht nur Rentenversicherung?

Günther: Nein, im Regelfall nicht. Abgesehen davon, dass sich jeder Freiberufler je nach Typus und Rahmenbedingungen seine Altersvorsorge selbst zusammenstrickt, zeigt die Erfahrung, dass fast alle IT-Freelancer auf einen planbaren Baustein großen Wert legen. Das war früher die gesetzliche Rente, das ist heute meist die private Rentenversicherung.

Übrigens: Angesichts der Unsicherheiten denken nicht nur die IT-Freiberufler so. Was nun zur klassischen privaten Rentenversicherung noch für die Altersvorsorge hinzugenommen wird - von fondsgebundenen Versicherungen, Investmentsparplänen über die Immobilie bis hin zur Kapital-Lebensversicherung, das ist wiederum von Freiberufler zu Freiberufler sehr unterschiedlich.

In jedem Fall sollte als weitere grundlegende Absicherung zumindest eine Pflegezusatzversicherung in Erwägung gezogen werden. Fehlt nämlich eine solche und tritt tatsächlich der Pflegefall ein, dann ist schnell das gesamte Vermögen weg - und damit auch das Haus, das man sich mühsam für die Kinder zusammen gespart hat.

Überhaupt sollte man, wenn man Partner und Kinder hat, bei seinen Überlegungen zu Versicherungen nicht die Familie außen vor lassen. Was ist, wenn der Hauptversorger stirbt? Sind Partner und Kinder zum Beispiel über eine Risiko-Lebensversicherung gegen den finanziellen Ruin abgesichert?

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Im zweiten Teil des Interviews steht die IT Berufshaftpflicht im Fokus: exali-Gründer Ralph Günther erklärt, welche Kriterien eine gute IT Berufshaftpflicht erfüllen sollte - und wer sich damit überhaupt versichern kann.