Job und Familie vereinbaren: Tipps für Selbständige
Der Spagat zwischen Business und Privatleben ist eine Aufgabe, die Selbständigen alles abverlangt. Julia Bandov – Gründerin von MumsFounding – spricht in einem Interview über die Herausforderungen, mit denen selbstständige Eltern konfrontiert sind.
Verabschieden Sie sich vom Perfektionismus
exali: Vor welchen Herausforderungen stehen Eltern, wenn es darum geht, Selbständigkeit und Familie unter einen Hut zu bringen? Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie gemacht?
Julia Bandov:
Ich glaube, alle Eltern machen eine ähnliche Entwicklung durch: Sie versuchen, beide Welten zu vereinen. Es erfordert viel Mühe. Hat man Kinder, muss man seine Prioritäten neu ordnen und sich damit abfinden, dass nicht mehr alles so vorhersehbar ist wie früher. Man muss lernen, flexibel zu sein und die Dinge sowohl beruflich als auch privat konsequent neu zu ordnen.
Für mich war es ein Wendepunkt, Mutter von zwei Kindern zu werden. Mir wurde klar, dass das traditionelle 9-to-5-Modell im Büro für mich nicht mehr die beste Option war – denn mit kleinen Kindern gehört Zeit zu den Dingen, die man nicht kontrollieren kann. An feste Arbeitszeiten gebunden zu sein, macht es fast unmöglich, in beiden Rollen erfolgreich zu sein:
Dann ist da auch noch die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt. Für Selbständige gibt es nie den „perfekten“ Moment, um Kinder zu bekommen. Es ist immer etwas los. Es gibt ständig neue Entwicklungen, etwas muss angepackt oder organisiert werden. Andererseits zwingt Sie ein Baby dazu, Ihre Arbeitsweise zu überdenken. Das ist für viele ein Wendepunkt, um sich selbstständig zu machen oder freiberuflich zu arbeiten.
Eine der schwierigsten Erkenntnisse war, dass sich mein bisheriges Leben komplett verändert hatte – ich konnte meine Zeit nicht mehr wir gewohnt verplanen. Das ist natürlich sehr schwierig, wenn man Kundenmeetings abhalten und Termine wahrnehmen muss. Man muss wirklich kreativ werden, um alles zu erledigen, besonders in der Anfangszeit.
Bevor ich Kinder hatte, war ich Perfektionistin. Aber die Elternschaft hat mir schnell beigebracht, dass ein erledigter Task besser ist, als alles perfekt zu machen zu wollen. Jetzt konzentriere ich mich auf Ergebnisse und versuche, dem Drang zu widerstehen, jedes Detail kontrollieren zu wollen (Gott sei Dank gibt es ChatGPT). Meine Arbeitszeiten sind zum Glück sehr flexibel: Ich musste lernen, eine Aufgabe mittendrin zu unterbrechen, wenn ich gerade tief konzentriert war, und dann später weiterzumachen – manchmal erst nach vielen Stunden. Ich will nicht lügen: Es ist schwer und ich brauche oft viel länger, um etwas zu erledigen. Es braucht Zeit, um wieder in den Flow zu kommen.
Die Herausforderung ist natürlich noch größer, wenn man alles alleine machen muss. Ein Unterstützungssystem und eine Infrastruktur, die einem im Alltag helfen, sind absolut entscheidend. Das ermöglicht es mir, trotz meines sehr vollen Terminkalenders mehr Projekte anzunehmen und meinen Leidenschaften nachzugehen. Ohne diese Unterstützung wäre es mir unmöglich, alles unter einen Hut zu bringen, an Veranstaltungen teilzunehmen und mein Netzwerk gezielt aufzubauen.
Bleiben Sie flexibel
exali: Welche Strategien können Sie empfehlen, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden – sowohl denen des Unternehmens als auch der Familie? Spielt flexibles Arbeiten dabei eine Rolle?
Julia Bandov:
Es gibt ein paar Dinge, die mir persönlich wirklich helfen. Flexibilität ist sehr wichtig – es gehört dazu, zu akzeptieren, dass sich Pläne in letzter Minute ändern können. Damit darf man kein Problem haben. Die richtige Einstellung ist also entscheidend. Prioritäten zu setzen ist ein weiterer wichtiger Punkt. Ich musste mich voll und ganz damit abfinden, dass „fertig“ eben besser ist als „perfekt“, obwohl ich von Natur aus Perfektionistin bin. Es kostet mich viel Mühe, Arbeit abzuliefern, mit der ich nicht zu 100 Prozent zufrieden bin. Auf der anderen Seite gibt es manchmal Termine, die ich einhalten muss. Dann muss ich am Wochenende, im Urlaub oder abends arbeiten.
Im Endeffekt ist es ein ständiger Balanceakt, bei dem es vor allem auf Kompromisse ankommt – man muss verstehen, dass man einfach nicht überall gleichzeitig sein kann. Außerdem musste ich sehr gut im Planen und Organisieren werden. Ehrlich gesagt, empfinde ich vor allem Letzteres als eine eigene Aufgabe. Aber ohne sie wäre alles andere nicht möglich.
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Suchen Sie sich Unterstützung
exali: Wie wichtig sind Partner, Familie oder Freunde in Ihrem Alltag Mutter und Unternehmerin?
Julia Bandov:
Ein zuverlässiges Netzwerk aus Menschen, die Ihre Bedürfnisse verstehen, kann Ihnen kurzfristig helfen. Der wahrscheinlich wichtigste Erfolgsfaktor für selbständige Eltern ist allerdings emotionale Unterstützung. Außerdem macht eine größere Gemeinschaft aus anderen selbstständigen Eltern alles leichter. Man hat nicht mehr das Gefühl, der einzige Mensch zu sein, der damit kämpft, alles unter einen Hut zu bringen.
Das ist auch eines der wichtigsten Argumente, warum ich Mumsfounding gegründet habe. Ich brauchte einen Ort, an dem ich mich austauschen konnte. Am besten mit anderen Müttern, die ebenfalls ein Unternehmen aufbauen. Es sollte ein Ort sein, an dem wir unsere Erfolge, Misserfolge und unseren Stress teilen und einfach mal Dampf ablassen können, wenn es nötig ist. Das Gefühl, gesehen und verstanden zu werden, hilft mir, auch in schwierigen Zeiten weiterzumachen. Es ist unglaublich, dass ein kurzes Gespräch so viel bewirken und die Stimmung komplett verändern kann.
exali: Wie schaffen Sie Zeit für ein wenig Selbstfürsorge, wenn Sie familiär und im Business schon so sehr eingebunden sind?
Julia Bandov:
Um ehrlich zu sein, fällt mir das immer noch schwer. Ich glaube, niemand hat bisher herausgefunden, wie man alles, was man sich vornimmt, in einen 24-Stunden-Tag packt. Ich habe jedoch eine Routine, die für mich gut funktioniert: Ich treibe drei- bis viermal pro Woche Sport. Dadurch fühle ich mich viel energiegeladener. Außerdem versuche ich, darauf zu achten, was mein Körper braucht. Manchmal merke ich, dass ich mich zu sehr verausgabt habe. Dann schalte ich einen Gang zurück, gönne mir mehr Ruhe, verbringe Zeit mit Freunden oder verschiebe einige Projekte.
Selbstständigkeit als Karriereperspektive für Eltern
exali: Wie sehen Sie die Vereinbarkeit von Selbständigkeit und Elternschaft in der Zukunft?
Julia Bandov:
Ich denke, Selbstständigkeit ist für Eltern definitiv der richtige Weg. Sie ermöglicht eine Flexibilität, die es einfacher macht, den Tag um die Familie herum zu strukturieren. Da viele Unternehmen wieder zum Präsenzmodell zurückkehren, werden diese Vorteile noch relevanter.
Die Selbständigkeit ist das einzige Arbeitsmodell, bei dem Sie arbeiten können, wenn das Baby schläft oder die Kinder im Kindergarten sind. Ihr Arbeitspensum liegt ganz bei Ihnen. Sie können entscheiden, wann Sie weitere Personen miteinbeziehen, um Aufgaben zu delegieren. Diese Flexibilität macht einen großen Unterschied.
Doch es geht um mehr als nur Flexibilität: An etwas zu arbeiten, dass Sie wirklich lieben und an das Sie glauben, gibt Ihnen die Motivation und Energie, weiterzumachen. Ich sehe diesen Trend auch deutlich in der Mumsfounding-Community – immer mehr Eltern geben ihre Jobs in Unternehmen auf, um mehr Flexibilität, Erfüllung und Freude in ihrer Arbeit zu finden.
exali: Sie sind Gründerin von Mums Founding – einer Community, die Mütter dabei unterstützt, ihre Geschäftsideen zu verwirklichen. Wie läuft das ab?
Julia Bandov:
Mumsfounding unterstützt Mütter, die ihr eigenes Unternehmen gründen möchten oder bereits selbstständig sind. Wir tun das durch Veranstaltungen, Networking-Möglichkeiten und den Zugang zu Ressourcen und Tools (zum Beispiel Tipps zum Zeitmanagement, KI-Tools und vieles mehr). All das soll Müttern helfen, ihr Unternehmen besser aufzubauen und zu führen, während sie gleichzeitig für ihre Familien da sein können.
Vor allem geht es bei Mumsfounding um Folgendes: Wir wollen einen sicheren Raum für Mütter zu schaffen. Dort können sie sich verbinden, unterstützen und gegenseitig feiern können – in guten wie in schlechten Zeiten.
Julia schafft Ökosysteme im Bereich Unternehmertum und Innovation. Die Kommunikationsexpertin mit mehr als einem Jahrzehnt Erfahrung bewegt sich direkt an der Schnittstelle zwischen Technologie und Unternehmertum. Dabei ist sie spezialisiert auf die Skalierung von Communities, den Aufbau strategischer Partnerschaften und die Schaffung integrativer Möglichkeiten in der gesamten Tech-Landschaft.
Zusätzlich ist sie Gründerin von MumsFounding und treibende Kraft hinter Women in Tech Berlin – beides Initiativen, die sich für die Stärkung unterrepräsentierter Gruppen und einen geförderten Zugang zum Unternehmertum einsetzen. Julia leitet außerdem Partnerschaften und das Ökosystemwachstum bei FoundersBay, einem Impact Accelerator, der Start-ups in ländlichen Regionen in der Anfangsphase unterstützt.