Großkanzlei-Patzer sorgt für öffentlich einsehbares Glyphosat-Gutachten

Formfehler sind der natürliche Feind des Anwalts. Denn Klagen können inhaltlich so korrekt und brillant sein wie sie wollen, wenn sich der Jurist nicht an die erforderliche Form hält, wird der Inhalt der Klage gar nicht erst geprüft, bevor diese abgewiesen wird. Wer jetzt denkt, solche Fehler passieren in der Praxis nicht, sollte weiterlesen: Warum mehrere Zustellungsfehler einer internationalen Großkanzlei jetzt von Informationsrechtlern als Sieg für die Demokratie gewertet werden…

Glyphosat geht jeden an, oder etwa nicht?

Glyphosat ist nicht nur der weltweit am häufigsten eingesetzte Unkrautvernichter. Das Herbizid ist auch Dauergast in den Schlagzeilen internationaler Zeitungen und in den USA Gegenstand einiger Schadenersatzklagen in Millionenhöhe. Im März 2015 hatte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) einen Bericht veröffentlicht, der den Pflanzenvernichter als „wahrscheinlich krebserregend“ einstufte.

Dennoch verlängerte die EU-Kommission am 27. November 2017 die Zulassung von Glyphosat um fünf weitere Jahre. Dabei stützte sie sich auf Gutachten, die Glyphosat als „nicht akut gesundheitsgefährdend“ eingestuft hatten. Das Problem: Diese Gutachten sind wohl vom Glyphosat Hersteller Monsanto bezahlt worden. Um Licht ins Dunkel zu bringen, hat fragdenstaat.de eine Anfrage gestellt, um das Gutachten vom IARC und die dazugehörige Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zu bekommen und öffentlich zugänglich zu machen.

Was macht fragdenstaat.de?

FragdenStaat versteht sich als gemeinnützige Plattform, die Bürgern zu ihrem Recht auf Information verhilft. Die Organisation unterstützt Bürger dabei, Anfragen an Behörden zu stellen und veröffentlicht diese sowie die Antworten des Staats auf der Internetseite fragdenstaat.de. Die Kampagne Topf Secret setzt sich zum Beispiel für die Veröffentlichung von Kontrollberichten des Veterinäramtes zu verschiedenen Restaurants ein. Aber auch Lageberichte zur aktuellen Situation in Syrien oder die Dienstvereinbarung der Polizei zur Verwendung von Bodycams wurden schon angefragt und veröffentlicht. Die gesetzliche Grundlage für solche Anfragen ist dabei das Informationsfreiheitsgesetz. Da sich die Behörden häufig gegen die Veröffentlichung von Anfragen sträuben, stehen der Projektleiter Arne Semsrott und Gründer Stefan Wehrmeyer von FragdenStaat regelmäßig vor Gericht.

Aber bitte nicht öffentlich!

Ganz im Sinne der offenen Informationspolitik wurde das Glyphosat-Gutachten dann auf fragdenstaat.de veröffentlicht. Und das, obwohl das BfR bei der Übersendung der Unterlagen explizit erwähnt hatte, dass diese urheberrechtlich geschützt sind. Immerhin sei das BfR Autor der Stellungnahme. Nach der Meinung von Arne Semsrott verstecken sich die Behörden jedoch häufig hinter dem Urheberrecht, um behördliche Schreiben zu zensieren, deswegen nennt er es schlicht „Zensurheberrecht“. Schließlich entschied er sich dazu, das BfR im Artikel zur Veröffentlichung des Gutachtens bewusst herauszufordern: „Wir veröffentlichten hier das Dokument des Bundesinstituts, das dafür bekannt ist, durchaus klagewütig zu sein. Wenn das BfR uns also deswegen verklagen will, nur zu. Dann können wir die Lage des Urheberrechts zumindest auf juristischem Wege verbessern.“ Eine solche Provokation ließ sich das BfR nicht gefallen und reagierte tatsächlich mit einer Unterlassungsklage wegen Urheberrechtsverletzung.

Auftritt: Die Anwälte

Herrn Semsrott flatterte sogleich ein Brief der Großkanzlei Gleiss Lutz ins Haus. In diesem forderten die juristischen Vertreter des BfR ihn dazu auf, das Gutachten von der Plattform zu nehmen und eine Unterlassungserklärung abzugeben. Sein Anwalt wies die Ansprüche zurück, woraufhin die Großkanzlei vor dem LG Köln eine einstweilige Verfügung erwirkte, damit das Gutachten von fragdenstaat.de verschwindet. Nach dem der Beschluss (LG Köln, Beschluss vom 19.03.2019 Az. 14 O 86/19) ergangen war, nahm fragdenstaat.de das Gutachten von der Seite.

Bei der Zustellung gelten strenge Regeln

Doch der Fall ist damit nicht abgeschlossen. Um rechtlich wirksam zu sein, muss die einstweilige Verfügung dem Beklagten nämlich ordentlich zugestellt werden. Dafür gelten folgende Regeln:

Vorsicht:

Scheitert die Zustellung, kann sie nicht erneut beantragt werden. Denn nach Ablauf der Monatsfrist gilt das Anliegen automatisch nicht mehr als eilig.

Auch prominente Kanzleien machen Fehler

Und genau an dieser Stelle sind der Anwaltskanzlei die entscheidenden Fehler passiert. Denn zum einen waren nicht alle Abschriften ordentlich beglaubigt (die Beglaubigung erstreckte sich nicht auf das komplette Dokument). Zum anderen gab es insgesamt fünf Zustellungsversuche, die allesamt daran scheiterten, dass die Großkanzlei die falschen Stempel oder Unterschriften unter die Dokumente setzte. Daher erklärte das Gericht die Zustellung für unwirksam. Die Folge der Fehler: Das Gutachten ist nun wieder auf fragdenstaat.de online und das Verfahren ums Urheberrecht geht in die nächste Runde. Denn FragdenStaat hat das BfR erneut verklagt, weil die Behörde sich weigert, ein Abmahnschreiben herauszugeben, dass diese an den MDR geschickt hat. Streitgegenstand war auch in diesem Fall das Gutachten zum Thema Glyphosat, über das der Sender berichtet hatte.

Anwalts-Haftpflicht: Im Schadenfall bestens abgesichert

Das BfR ist momentan wahrscheinlich nicht gut auf seine Anwaltskanzlei zu sprechen. Denn die Kosten für den Prozess sowie für die gescheiterte einstweilige Verfügung muss die Behörde zahlen. Wahrscheinlich wird sie jedoch versuchen, diese von der Großkanzlei zurückzuholen, schließlich hat diese den Schaden verursacht. Kanzleien, egal ob – wie in diesem Fall Global Player – oder kleine Kanzleien, die eine Anwalts-Haftpflicht über exali.de abgeschlossen haben, sind bei Formfehlern und anderen beruflichen Versehen bestens abgesichert.

Das größere Problem ist für die renommierte Kanzlei aber sicherlich, dass die Fehler der Anwälte auf fragdenstaat.de groß und breit veröffentlicht wurden. Alle Dokumente sind weiterhin online einsehbar und das Internet vergisst bekanntermaßen nie. Zudem ging der Prozess wochenlang durch die Presse. Peinlich für die Großkanzlei, deren Ruf wohl nachhaltig Schaden genommen hat. Auch bei solch einem Reputationsschaden würde die Anwalts-Haftpflicht über exali.de weiterhelfen. Drohende oder bereits eingetretene Imageschäden, die im Zusammenhang mit einem versicherten Schadenfall stehen (wie hier die Formfehler) sind bis zu der in den Versicherungsbedingungen genannten Summe mitversichert. Der Versicherer stellt Ihnen dann einen PR-Berater zur Seite, der Ihnen dabei hilft, den Imageschaden einzudämmen und Vertrauen wieder aufzubauen.

Bei Fragen zur Anwalts-Haftpflicht wenden Sie sich jederzeit an unsere freundlichen und kompetenten Versicherungsexperten. Diese sind ohne Callcenter oder Warteschleife direkt für Sie erreichbar.

 

© Kathrin Bayer – exali AG