Was die Webshop-Welt bewegt: Hintergründe, Trends und Expertenwissen im Interview - Teil 1

Versandflatrate, Same-Day-Delivery, Verbraucherrecht: Der Online-Handel ist eine Zukunftsbranche, die jedem Tag komplexer und professioneller wird. Dabei ist es nicht immer einfach, den Überblick zu behalten und den Anschluss nicht zu verlieren. Der digitale Marktplatz ist aber nicht nur für Webshop-Betreiber und Kunden interessant, sondern auch für die Wissenschaft: Was bewegt den Kunden? Und was braucht ein erfolgreicher Online-Handel? 

Zu diesen Themen haben wir Dr. Georg Wittmann, Senior Consultant bei ibi research an der Universität Regensburg, befragt. Im ersten Teil des exali.de-Interviews wirft der Experte einen Blick hinter die Kulissen und zeigt neue Trends im Verbraucherrecht und in puncto Zahlungsverkehr auf.

Seit einigen Wochen gilt das neue Verbraucherrecht. Können Sie schätzen, wie viele Webshops bereits umgestellt sind?

Aus meiner Sicht hatten viele Webshop-Betreiber die Umstellung frühzeitig auf dem Radar, wir haben dazu schon im Vorfeld viele Anfragen bekommen. Kurz vor dem Umstellungstermin häuften sich aber die Anfragen.

Dienstleister wie der Händlerbund oder auch TrustedShops berichten hingegen über eine eher schleppende Umsetzung und auch einen Anstieg der Anfragen kurz vor dem Stichtag. TrustedShops etwa hat vor Kurzem eine Umfrage veröffentlicht, die besagt, dass 29 Prozent der untersuchten Shops kaum bis gar nicht auf die veränderte Rechtslage reagiert hätten; 34 Prozent der Shops haben die "größtenteils notwendigen" Änderungen umgesetzt – ein eher ernüchterndes Ergebnis.

Diese Zahlen erklären sich meiner Ansicht nach vor allem dadurch, dass einige Webshop-Betreiber zwar versucht haben, die Anpassungen vorzunehmen, aber nicht korrekt umgestellt haben. Dabei haben viele Shopbetreiber alte oder falsche Texte verwendet und auch das vorgeschriebene Muster-Widerrufsformular findet sich oft nicht auf der Webseite – hier haben wohl viele den Aufwand unterschätzt.

Alles in Allem denke ich, dass die „Dunkelziffer“ der Shops, die noch nicht alle Vorgaben des Verbraucherrechts umgesetzt haben, recht hoch sein dürfte – natürlich sprechen die Händler nicht gerne darüber.

Welche Probleme gab es bei der praktischen Umsetzung?

Zuallererst hat der Umstellungszeitpunkt für Schwierigkeiten gesorgt, das neue Verbraucherrecht musste innerhalb einer „logischen“ Sekunde, also am 13.06.2014 um 00.00 Uhr umgesetzt sein – ohne Übergangsfrist.

Wie schon erwähnt haben auch viele Händler den Umfang der Veränderungen unterschätzt. Wir haben am 12.06.2013 unheimlich viele Anrufe von Webshop-Betreibern bekommen, die noch schnell wissen wollten, was denn nun konkret umgestellt werden muss.

Daran sieht man, dass einige auch ziemlich schlecht informiert waren und die Thematik auf den letzten Drücker angegangen sind. Die Details der Umstellung waren vielen nicht klar und es wurde versucht, das Verbraucherrecht quasi „quick and dirty“ umzusetzen. Logischerweise sind Online-Händler nicht zwangsweise Rechtsexperten und so haben gerade die rechtlichen Feinheiten, wie die Bereitstellung eines Muster-Widerrufsformularsden Händlern Kopfzerbrechen bereitet.

Viele kleinere Webshop-Betreiber haben sich bei der Umstellung aber auch auf die „Großen“ gewartet und waren unsicher über die Wirkung auf den Kunden. Ich denke hier zum Beispiel an das Thema Rücksendekosten. Nach neuem Recht können diese nun immer zu Lasten des Kunden gehen, nicht wie bisher nur bei einem Warenwert unter 40 Euro. Manche große Versender übernehmen aus Kulanz bzw. Kundenservice nach wie vor die Kosten – hier hat sich dann bei kleineren Shops Unsicherheit breit gemacht, wie in Zukunft damit verfahren werden soll.

Stehen nach Einführung des SEPA Lastschriftverfahrens und des neuen Verbraucherrechts 2014 weitere neue Bestimmungen an?

Die SEPA-Umstellung wird uns noch einige Zeit begleiten. Zum 1. August endet zwar die Übergangsfrist, doch damit sind die Veränderungen noch nicht abgeschlossen. SEPA ist so konstruiert, dass es in einem gewissen Rhythmus immer wieder Optimierungen und Feinjustierungen geben kann und da muss man einfach auch am Ball bleiben.

Momentan ist im eCommerce bei Lastschriftverfahren noch die bekannte Verfahrensweise zulässig, doch das wird sicherlich in den entsprechenden Gremien in Zukunft nochmals zur Diskussion stehen. Hier ist noch vieles unsicher und in Bewegung. 

Die PSD 2 (Payment Services Directive II), also die Änderung der Zahlungsdienste-Richtlinie durch die Europäische Kommission, wird in der kommenden Zeit auch Änderungen mit sich bringen. Dabei geht es zum Beispiel um „secure internet and mobile payments“, sprich die Sicherheit der Online- bzw. mobilen Zahlungsmethoden, was auch neue Authentifizierungsregelungen bei Bezahlungen im Internet mit sich bringen wird. Auch die Gebühren bei der Zahlung mit einer Debit- oder Kreditkarte sollen gedeckelt werden – Stichwort „MIF-Verordnungsvorschlag (multilaterale Interbankenentgelte)“.

Diese Änderungen können dann wiederum auch ein Umdenken beim Verbraucher bewirken, was die Akzeptanz von Kreditkartenzahlungen bzw. E-Payment-Verfahren betrifft. Ich denke, dass durch PSD 2 weitreichende Veränderungen angestoßen werden können. Wenn Kreditkartenzahlungen günstiger werden, hat das sicherlich auch Auswirkungen auf andere Zahlungsanbieter wie PayPal. Die müssen sich dann entscheiden, ob sie in Sachen Gebührenstruktur am POS und im Internet mitgehen oder eben nicht.

Compliance-Themen und regulatorische Vorgaben sowie auch der Datenschutz werden uns in Zukunft noch mehr beschäftigen. Hohe Datenschutzanforderungen werden immer häufiger auch von Geschäftspartnern vorausgesetzt.

Wir haben dazu eine Studie erstellt, bei der aufkam, dass rund 20 Prozent der Online-Händler bereits von Internetkriminellen erpresst wurde. Zumindest hat jeder Fünfte eine Attacke zugegeben, die Dunkelziffer liegt wohl noch weit höher. Hier sieht man dann schon, dass diese Probleme im Online-Handel Realität sind und auch noch eine Weile bleiben werden.

Nächste Woche erscheint auf der exali.de Infobase der zweite Teil des Experteninterviews mit Dr. Georg Wittmann. Darin verrät er, ob sich der Einstieg in den Online-Handel noch lohnt und wie ein Webshop zum Erfolg wird. 

Über Dr. Georg Wittmann:

Dr. Georg Wittmann, Dipl.-Kfm., studierte von 1997 – 2002 Betriebswirtschaftslehre an der Universität Regensburg mit den Schwerpunkten Bankinformatik, Finanzierung und Statistik. Von 1999 – 2002 war er auch im Business Development/Marketing bei Consors Discount-Broker tätig. Nach Abschluss seines Studiums war er bis 2005 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik an der Universität Regensburg. Seit 2005 ist er Senior Consultant bei ibi research an der Universität Regensburg GmbH (www.ibi.de). Seine Schwerpunkte liegen in den Themen E-Commerce, Online-Marketing, E-Payments, E-Banking und Zahlungsverkehr. Er ist Leiter des eBusiness-Lotsen Ostbayern und Mitautor des E-Commerce-Leitfadens.

Dr. Georg Wittmann ist Leiter des Fachbereichs E-Payment des Bundesverbands der Dienstleister für Online-Anbieter BDOA e.V., Köln.

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