Wenn Medienschaffende für ihre Inhalte verklagt werden

Was darf Satire? Was beinhaltet die Pressefreiheit? Wo endet die Meinungsfreiheit von beispielsweise Blogger:innen, Journalist:innen, Moderator:innen oder Kabarettist:innen und was passiert, wenn ihre Werke juristische Folgen haben? Diese Fragen wurden in den letzten Jahren immer wichtiger, besonders für selbstständige Medienschaffende. Dieser Artikel geht diesen Fragen anhand echter Fallbeispiele aus den letzten Jahren auf den Grund und zeigt, welche Rechtsgrundlagen für Presse- und Meinungsfreiheit sowie Urheberrecht es für Medienschaffende gibt.

Was darf eigentlich Satire?

Diese Frage hallte 2016 nicht nur doch Deutschland, sondern sogar fast um die ganze Welt. Der Grund? Jan Böhmermann und seine Schmähkritik zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Die TAZ-Autorin Hengameh Yaghoobifarah schlug mit ihrem satirischen Artikel „All cops are berufsunfähig“ international zwar keine so großen Wellen wie seinerzeit die Böhmermann-Affäre, doch kaum ein Text wurde 2020 so heftig diskutiert und kritisiert wie dieser. Die Kolumne erschien im Juni, als gerade in den USA die „Black Lives Matter“-Proteste im vollen Gange waren, bei denen Polizeigewalt angeprangert und die Einschränkung von Polizeibefugnissen gefordert wurde. Yaghoobifarah sinnierte in ihrem Text darüber, was arbeitslose Polizeibeamt:innen denn wohl sonst so machen könnten.

Da es sich um einen satirischen Text handelte, waren natürlich viele der präsentierten „Lösungen“ für arbeitslose Polizeibeamt:innen deutlich überspitzt dargestellt. Bundesinnenminister Horst Seehofer fand den Text alles andere als gut und sah darin sogar eine Straftat – welche, hat er allerdings nie konkretisiert und auch die angedrohte Strafanzeige gegen die Autorin erfolgte nicht. Laut der TAZ gingen bei der Zeitung dennoch über 140 Strafanzeigen von verschiedenen Polizeiorganisationen ein. Diese richteten sich nicht nur gegen Yaghoobifarah, sondern ebenfalls gegen die Chefredakteurin der TAZ Barbara Junge und deren Stellvertreterin Katrin Gottschalk. Alle Anzeigen wurden im September 2020 von der Staatsanwaltschaft Berlin zurückgewiesen. Eine Volksverhetzung liege nicht vor, attestierte das Gericht.

Meinungs- und Pressefreiheit nach dem Grundgesetz.

Sowohl das Recht der freien Meinungsäußerung, als auch die Pressefreiheit sind im deutschen Grundgesetz in Artikel 5 festgehalten. Dort steht unter Absatz 1:

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Wichtig ist hier: Die Pressefreiheit gilt für alle Medienschaffenden unabhängig von Größe, Reichweite oder Art des Mediums. Es spielt also keine Rolle, ob es sich um digitale Medien, Printmedien, Rundfunk oder Fernsehen handelt. Ebenfalls unwichtig ist die Bekanntheit der Autor:in oder Journalist:in. Die Beschränkungen für die Meinungs- und Pressefreiheit sind unter Absatz 2 aufgeführt:

Presse: die vierte Gewalt

Die Pressefreiheit ist eine wichtige Grundvoraussetzung für unabhängigen Journalismus. Deswegen nennt man die Presse auch die vierte Gewalt in einer Demokratie. Doch die Welt der Medien hat sich verändert. Neben dem Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der großen Tageszeitungen haben sich mittlerweile eine ganze Reihe neuer digitaler Medien entwickelt. Dazu gehören etwa digitale Magazine und Blogs, sowie YouTube-Kanäle oder Podcasts. Gerade aber weil das Medienangebot mittlerweile so groß und vielfältig geworden ist, kommt es immer wieder zu Rechtsstreits.

Fake News? Querdenker versus "Der Volksverpetzer"

Ein weiterer öffentlich ausgetragener Rechtsstreit ist der von Wolfgang Wodarg gegen den Blog „Der Volksverpetzer“. Der Mediziner und ehemalige SPD-Politiker Wodarg gehört zu den bekanntesten Stimmen der Querdenker-Bewegung, die seit Monaten gegen die Corona-Maßnahmen protestieren. Der 2014 gegründete Blog „Der Volksverpetzer“ widmet sich vorrangig Hetze und Fake News und schreibt auch regelmäßig Faktenchecks zu Aussagen von Wodarg. Dieser sah sich 2020 dadurch so verunglimpft, dass er den Blog kurzerhand über den, in Querdenker-Kreisen bekannten, Anwalt Reiner Fuellmich verklagte.

250.000 Euro Schadenersatz, eine Unterlassungserklärung sowie die Übernahme der Anwaltskosten in Höhe von 3.000 Euro lauteten die Forderungen an den Blog. Volksverpetzer-Chefredakteur und Geschäftsführer Thomas Laschyk reagierte darauf nicht nur mit zwei spöttischen Artikeln in denen man sich über Wodarg lustig machte, sondern zusätzlich mit einer Gegenklage. Zum Ergebnis beider Klagen ist aktuell noch nichts bekannt; dass die Blogger:innen aber wirklich zahlen müssen ist eher unwahrscheinlich. Denn: wie bei dem Fall von Yaghoobifarah dürften auch die Artikel im Volksverpetzer von der im Grundgesetz verankerten Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt sein.

Meinungsfreiheit: Kabarettist versus Blogger

Ein ähnlicher Fall wie Volksverpetzer gegen Wodarg ist die Geschichte des Kabarettisten Detlev Schönauer und des Bloggers Uwe Caspari. Dieser schrieb auf seinem Blog ucaslife eine Kritik zu Schönauers Programm „Doppelhirn“ und warf dem Kabarettisten unter anderem die Verbreitung von Rassismus vor. Schönauer wollte dies nicht auf sich sitzen lassen und schickte Caspari eine Unterlassungsklage in der gefordert wurde, dass der Blog-Artikel sofort zu löschen sei. Im Juli 2019 entschied das Landgericht Berlin dann aber zugunsten Casparis und wies die Klage ab. Der Blog-Beitrag sei eindeutig durch die Meinungsfreiheit gedeckt.

Meinungsfreiheit oder Beleidigung?

Wo endet die Meinungsfreiheit und wo fängt die üble Nachrede, Verleumdung oder Beleidigung an? Der Unterschied liegt ganz grundsätzlich darin, ob sich die/der Autor:in, Journalist:in, Filmschaffende etc. mit einer Sache (wie zum Beispiel einem künstlerischen Werk, einem getätigten Zitat oder einem gesellschaftsrelevanten Thema) auseinandersetzt oder ob es um die Diffamierung einer Person geht. Yaghoobifarah etwa setzt sich satirisch mit dem Vorwurf von Rechtsextremismus in der Polizei auseinander. Die Autor:innen des Blogs „Der Volksverpetzer“ mit den Aussagen Wodargs und anderer Querdenker und Caspari mit dem Programm des Kabarettisten Schönauer. Es geht hier stets um eine getätigte Meinung zu einer Sache. Nicht um das bloße Beschimpfen oder Diffamieren einer Person.

Urheberrechtsverletzung? Radio Bremen versus Massengeschmack-TV

Im Dezember 2019 erschien auf dem öffentlich-rechtlichen YouTube-Kanal „Y-Kollektiv“ eine Reportage mit dem Titel „Infokrieg“. Darin ging es darum, wie neue Rechte soziale Medien zu Propagandazwecken nutzen. Der Hamburger Journalist Holger Kreymeier fand den Beitrag alles andere als gut und veröffentlichte ein Video auf seinem YouTube-Kanal „Massengeschmack TV“ in dem er kein gutes Haar an dem Beitrag ließ. Kurz darauf erhielt er eine Klage von Radio Bremen, wegen Verletzung des Urheberrechts.

Wie Radio Bremen erklärte, ging es bei der Klage aber nicht um Kreymeiers Kritik, sondern die Nutzung der Inhalte des Originalbeitrags. So habe der Journalist in seinem Video mehrfach das Zitatrecht verletzt – in dem er Material aus der Reportage zeige, mit der er sich inhaltlich nicht auseinandersetze, wie zum Beispiel eine Autofahrt. Kreymeier sieht das natürlich völlig anders und sieht in der Klage einen Angriff auf seine Meinungs- und Pressefreiheit. Ein Ergebnis zu dem Fall liegt aktuell noch nicht vor.

Das Zitatrecht: Die „Schranke“ des Urheberrechts

Das Zitatrecht findet sich unter § 51 im Urhebergesetz. Es besagt, dass eine teilweise oder komplette Übernahme eines urheberrechtlich geschützten Werks erlaubt ist, solange dies eine Belegfunktion erfüllt. Das bedeutet: Wer Originalmaterial, seien es Texte, Bild- oder Tonaufnahmen, in einem Artikel, Radio- oder Videobeitrag verwendet, der muss sich auch inhaltlich mit diesem Material auseinandersetzen und es als Beleg für ihre/seine Aussagen nutzen. Somit gibt man dem verwendeten Material einen Zitatzweck. Eine Nutzung zur Ausschmückung des eigenen Werks ist dagegen unzulässig.

Irreführende Bezeichnung: AfD versus Blogger

Das letzte Beispiel in diesem Artikel ist die Klage der Partei Alternative für Deutschland (AfD) gegen den Blogger Nathan Mattes aus dem Jahr 2017. Dieser betrieb einen Blog unter der Domain „wir-sind-afd.de“ der aus einer Sammlung von Originalzitaten verschiedener AfD-Politiker:innen besteht. Darüber steht im Header neben einem nach unten zeigenden roten Daumen (Dislike): „Wir sind AfD: Wir sind eine rechtsextreme, rassistische, menschenverachtende Partei und wir sitzen unter anderem im Deutschen Bundestag.“

Der AfD selbst gefiel das natürlich gar nicht und so mahnten sie den Blogger 2017 wegen Namensverletzung ab. Der Name der Domain sei irreführend und Nutzer:innen könnten auf zugehörigen Webseite nicht erkennen, dass es sich nicht um eine offizielle Partei-Homepage handle. Zwei Gerichte – das Landgericht Köln und das Oberlandesgericht Köln – sahen das ebenso und urteilten, dass der von Mattes registrierte und verwendete Domainname irreführend sei. Mattes hat nun die Domain des Blogs auf „das-ist-afd.de“ geändert und betreibt ihn weiterhin mit den gleichen Inhalten.

Eine Absicherung für Journalist:innen und Blogger:innen

Was man an diesen Beispielen sehr gut sieht, ist, dass es bei Klagen gegen Medienschaffende wie Journalist:innen, Blogger:innen oder Autor:innen oft nicht um die rein rechtlichen Aspekte geht, sondern um verletzte Gefühle oder den Versuch, Kritik zu unterdrücken. Doch selbst wenn Sie sich sicher sind, sich rechtskonform verhalten zu haben: Ein Rechtsstreit kostet nicht nur Kraft, sondern vor allem auch Geld. Deshalb ist es gut, sich als Freelancer:in oder Selbständige/r beruflich abzusichern. Die Media-Haftpflicht von exali.de schützt Kreative und Medien-Agenturen  bei Haftungsfällen für alle der im Text vorgestellten Fälle.

In der Media-Haftpflicht enthalten ist auch der passive Rechtsschutz, was bedeutet: Forderungen prüft der Versicherer erst einmal für Sie, wehrt unberechtigte Ansprüche in Ihrem Namen ab und bezahlt berechtigte Schadenersatzforderungen. Münden die Vorwürfe aus dem versicherten Schadenfall in einem Strafverfahren, übernimmt der Versicherer auch die damit verbundenen Gerichtskosten und die Kosten der Verteidigung.

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