Risiko Vertragsrücktritt: Das können Sie tun, wenn es im Projekt kriselt

Sätze, die in Projekten keiner hören will, gibt es viele. Neben den Klassikern wie: „Das wird wohl teurer als erwartet“ oder „in der vorgegebenen Zeit ist das nicht möglich“, ist es vor allem ein Satz, der Freelancern die Schweißperlen auf die Stirn treibt, nämlich: „Da müssen wir uns falsch verstanden haben“. Ist dieser Satz erst einmal gefallen, ist es oft nicht mehr weit bis der Auftraggeber vom Vertrag zurücktritt. Wie es gar nicht erst so weit kommt und was selbst dann noch hilft, wenn es eigentlich schon zu spät ist, verrät Ihnen dieser Artikel.

Rücktritt des Auftraggebers vorbeugen

Am häufigsten scheitern Projekte nicht wegen der Aufgabe selbst, sondern an schlechter Kommunikation. Was zuerst einfach und selbstverständlich klingt, ist die eigentliche Königsdisziplin der Zusammenarbeit und am Ende häufig der Grund für einen Rücktritt des Auftraggebers.

Rücktritt vom Werkvertrag

Ist der Rücktritt des Auftraggebers wirksam, werden beide Vertragspartner so gestellt, als hätte es das Projekt nie gegeben. Das heißt, alles was der Auftraggeber bereits bezahlt hat, muss zurückbezahlt werden, alle gestellten Rechnungen werden storniert. Zudem bleibt der Auftragnehmer auf den Personal-, Material- und Verwaltungskosten sitzen. Im Gegenzug muss der Auftraggeber die erhaltene Werkleistung zurückgeben.

Wann ist ein Rücktritt des Auftraggebers rechtmäßig?

Damit der Kunde wirksam zurücktreten kann, muss er Ihnen den Rücktritt erklären. Dies würde zwar mündlich ausreichen, wegen der weitreichenden Konsequenzen, die ein Rücktritt hat, ist allerdings die Schriftform üblich. Für einen wirksamen Rücktritt muss der Auftraggeber vorher jedoch einiges beachten:

 

Ein geplatzter Auftrag ist in jedem Fall ärgerlich, ganz egal in welchem Bereich Sie arbeiten. In Medien- und IT-Berufen kann ein gescheitertes Projekt aber schnell existenzbedrohend werden, denn hier ist die Arbeit auf Basis von Werkverträgen üblich. Während dort ein fertiges Projekt geschuldet wird, wird beim Dienstvertrag die geleistete Arbeitszeit vergütet. Was genau die Unterschiede zwischen den verschiedenen Verträgen bedeuten, können Sie in unserem Artikel Vertragsarten: Werkvertrag oder Dienstvertrag, wo liegt der Unterschied? nachlesen.

Das können Sie tun, um einem Rücktritt des Auftraggebers vorzubeugen:

1. Führen Sie ein Lasten- und Pflichtenheft

Lasten und Pflichtenhefte helfen Ihnen, Ihre Arbeit zu planen und zu strukturieren und dienen als Rückversicherung im Projekt:

Lastenheft

Das Lastenheft erstellt der Auftraggeber und listet darin seine Anforderungen und Wünsche an das fertige Produkt auf. Dabei sollte er die Ausgangslage sowie das Ziel beschreiben, das das Unternehmen mit dem fertigen Werk erreichen will. Zudem wird festgelegt, wer für welchen Teilbereich der richtige Ansprechpartner ist, was das Produkt können muss und wie es aussehen soll. Im Idealfall entsteht so gleichzeitig eine Checkliste der zu erreichenden Etappen. In den wenigsten Fällen sind alle Wünsche allerdings genauso umsetzbar, wie es sich der Auftraggeber vorgestellt hat. Nehmen Sie das Lastenheft deswegen nicht einfach nur entgegen, sondern sehen Sie sich die Details an. Durch Ihre Berufserfahrung werden Sie schnell erkennen, welche Aufgaben lösbar und welche Wünsche des Kunden unrealistisch sind. Weisen Sie ihn schon vor Beginn des Projektes auf solche Schwachstellen hin und erarbeiten Sie zusammen erreichbare Ziele.

Pflichtenheft

Das Pflichtenheft ist die konkrete Liste der Aufgaben, die Sie als Auftragnehmer erledigen müssen, um die Anforderungen des Auftraggebers aus dem Lastenheft zu erfüllen. Auch die mögliche Mitwirkung des Auftraggebers wird hier festgelegt, wenn er z. B. Daten, Texte oder Bildmaterial zur Auftragserledigung rechtzeitig zur Verfügung stellen muss. Wenn Sie das Projekt nicht umsetzen können, sollte sich das an dieser Stelle zeigen. Denn jetzt kommt auf, ob Ihre Arbeitsschritte geeignet sind, die Wünsche des Auftraggebers zu realisieren. Wer schon bei Erhalt des Pflichtenheftes mit dem Auftraggeber an erreichbaren Zielen gearbeitet hat, muss jetzt nur noch die einzelnen Etappen auflisten und Teilleistungen vereinbaren. Da das Pflichtenheft häufig Teil des Projektvertrages wird, ist es besonders wichtig, einzelne Schritte und Teilziele so konkret wie möglich festzuhalten. So können Sie die Hefte als Argumente nutzen, wenn es später zu Missverständnissen mit dem Auftraggeber kommt.

In unserem Video gibt es weitere Tipps zum Lasten- und Pflichtenheft:

 

 

2. Denken sie Änderungen konsequent zu Ende

Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Das ist im Projekt nicht anders. Kommt Ihr Kunde mit Änderungswünschen auf Sie zu, sollten Sie deswegen folgende Dinge beachten:

 

3. Planen Sie zeitliche und finanzielle Puffer ein

Kein Projekt läuft zu 100 Prozent perfekt. Viele Risiken lassen sich aber erahnen, wenn sich Auftraggeber und Auftragnehmer Gedanken über die eigene Ausgangssituation machen. Macht ein bestimmtes Programm immer wieder Probleme oder liegen die Daten für eine Migration wirklich so perfekt aufbereitet vor? Dann planen Sie genügend Zeit und Ressourcen ein. Wenn dann ein ganz anderes, unvorhergesehenes Problem auftritt, haben Sie einen zeitlichen und finanziellen Puffer, um sich darum zu kümmern.

4. Tauschen Sie sich mit ihren Teammitgliedern aus

An einem einzelnen Arbeitstag kann viel passieren. Sprechen Sie deswegen häufig mit Beteiligten über den Fortschritt und die Probleme am Projekt, dafür dürfen die Meetings dann gerne auch kürzer sein. Um einander auf den gleichen Stand zu bringen, reichen oft schon fünf Minuten. Gerade wenn Sie im Projekt agil arbeiten, sollten Sie immer wieder prüfen, ob Sie auf dem richtigen Weg sind. Projektmanagement Methoden wie Scrum, Kanban oder OKR können dabei eine große Hilfe sein.

Welche Fehler Sie zum Beispiel bei der Einführung von OKR vermeiden sollten, verraten wir Ihnen im Video:

 

5. Planen Sie die Kommunikation mit dem Auftraggeber

Falls Sie Mitarbeiter haben, betrauen Sie einen damit, mit dem Auftraggeber zu kommunizieren. Dieser Ansprechpartner sollte in Sachen Unternehmenskommunikation geschult sein und hat dann die Aufgabe, den Auftraggeber über Teilergebnisse zu informieren und Termine abzusprechen. So lassen sich Missverständnisse in den einzelnen Abteilungen vermeiden, gleichzeitig zeigen Sie dem Kunden so, dass Sie gut organisiert sind und seine Anliegen ernst nehmen. Wenn Sie alleine arbeiten, sollten Sie sich feste Termine für die Kommunikation mit Ihrem Auftraggeber einplanen.

6. Prüfen Sie regelmäßig den Fortschritt des Projekts

Wenn der Projektplan steht, wird es Zeit, Deadlines für die einzelnen Teilergebnisse festzulegen. Auch wenn Sie dem Auftraggeber keine Zwischenstände liefern müssen, sollte zu jeder Zeit klar sein, wo das Projekt gerade steht. Dann lässt sich feststellen, wie viele Aufgaben aus dem Pflichtenheft schon abgeschlossen sind und ob die veranschlagte Zeit ausreicht, um termingerecht fertig zu werden. So bleibt genug Zeit, um das Projekt umzustrukturieren, bevor Sie damit in Verzug geraten.

Rücktritt des Auftraggebers vom Projekt: Zwei echte Schadenfälle

Diese zwei echten Schadenfälle, die unseren Versicherten passiert sind, zeigen, was bei einem Rücktritt des Kunden auf den Auftragnehmer zukommt und was der Versicherer in diesem Fall macht:

Digitalagentur: Shop-Umzug scheitert an agilen Methoden

Ein Versicherungsnehmer von exali.de, eine Digitalagentur, bekam den Auftrag, einen Onlineshop für Hörspiele und DVDs auf ein neues Shopsystem „umzuziehen“. Wegen der agilen Struktur des Unternehmens gab es keinen ausgefeilten Zeitplan, sondern einen Projektplan, der auf Meilensteinen basierte. Im Verlauf des Projekts stellte sich aber heraus, dass die Erwartungen des Kunden sich mit dem neuen Shopsystem nicht erfüllen ließen und dieses daher für den Onlineshop nicht geeignet war. Die Agentur versuchte noch zu retten, was zu retten war, musste sich aber nach mehreren geplatzten Deadlines geschlagen geben. Nun hatte auch der Auftraggeber genug, er wollte vom Auftrag zurücktreten und forderte 100.000 Euro, die er als Honorar bezahlt hatte, zurück. Beide Parteien wollten einen Rechtsstreit vermeiden und da beide am Scheitern des Projekts ihren Anteil hatten (der Auftraggeber wollte das Projekt mit dem vorgegebenen Shopsystem umsetzen und die Agentur hatte nicht erkannt, dass das nicht funktioniert), suchten sie gemeinsam mit dem Versicherer einen Kompromiss. Im Rahmen des RPC, einem Zusatzbaustein zur Vermögensschadenhaftpflicht, der den Rücktritt des Auftraggebers absichert (mehr Infos unten), kam der Versicherer für die Hälfte des Schadens auf. Die anderen 50.000 Euro übernahm die Agentur.

Webdesign: Wenn dem Kunden die Webseite nicht gefällt

Ein ganz gewöhnlicher Auftrag wurde für einen anderen exali.de-Kunden zum Albtraum. Die Webdesignagentur sollte für ihren Kunden, ein Reiseunternehmen, eine Website bauen. Geplant war eine Wordpress-basierte Seite vom ersten Entwurf bis hin zur SEO-Optimierung. Auch in diesem Projekt gab es nur wenige feste Vorgaben. Weder Teilleistungen noch Projektphasen waren vereinbart. Als der Kunde schließlich den ersten Entwurf sah, kam es zum GAU, ihm gefiel rein gar nichts an der Arbeit der Agentur. Eine lange Mängelliste war die Folge, allerdings räumte der Kunde den Webdesignern auch keine Möglichkeit ein, die Mängel zu beseitigen. Stattdessen trat der Kunde vom Vertrag zurück und forderte seine Anzahlung in Höhe von 750 Euro zurück, zusätzlich waren der Agentur aber bereits 900 Euro an Personalkosten und Lizenzgebühren entstanden. Glücklicherweise sprang auch in diesem Fall der Versicherer ein und bezahlte der Agentur im Rahmen des RPC den entstandenen Schaden.

Rücktritt absichern: Zusatzbaustein Rücktritt des Auftraggebers vom Projektvertrag (RPC)

Wenn Projekte scheitern, ob aus technischen Gründen, fehlender Kommunikation oder schlechtem Projektmanagement, wird der Dienstleister schnell zum Sündenbock gemacht. Die Klärung der Frage, wer wirklich schuld ist, kann langwierig und teuer sein. Auch, ob der Auftraggeber zu Recht zurückgetreten ist, ist für den Freelancer oft schwer zu erkennen. Im Rahmen des Zusatzbausteins Rücktritt des Auftraggebers vom Projektvertrag (RPC), den Sie ganz einfach online zu Ihrer Berufshaftpflicht über exali.de hinzuwählen können, prüft der Versicherer, ob der Rücktritt rechtmäßig war. Falls ja, übernimmt er die vergeblichen Aufwendungen, die Ihnen durch den Rücktritt entstanden sind (eigene Aufwendungen wie Werklohn oder Kosten für Dienstreisen und Aufwendungen für Subunternehmer und freie Mitarbeiter).

Bei Fragen zum optimalen Versicherungsschutz rufen Sie uns gerne an. Bei exali.de gibt es weder Warteschleife noch Callcenter. Unsere Versicherungsexperten sind direkt für Sie erreichbar.