Sozienklausel vs. Deckungssumme der Pflichtversicherung: Beispiele aus der Praxis – Teil 2

Gefährliche Lücke in puncto Versicherungsschutz: Die Sozienklausel in den Bedingungen zur Pflichtversicherung kann in der Praxis für eine (nicht unerhebliche) Differenz zwischen der durchschnittlich ermittelten Versicherungsleistung der verschiedenen Sozien und dem tatsächlichen Schadenersatzanspruch sorgen. Was das konkret in der Praxis bedeutet, erklärt Gastautor Stefan Schwope anhand verschiedener Schadenszenarien im zweiten Teil der Serie zur Sozienklausel. Dabei zeigt er auch, warum die richtige Höhe der Versicherungssumme für Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftprüfer in einer Sozietät existenziell wichtig werden kann.

Deckung ohne Sozienklausel ( § 12 AVB) – Szenarien aus der Berufspraxis

Ohne die Sozienklausel müsste der Versicherer nur für die Haftpflicht seines Versicherungsnehmers (Sozius) eintreten. Eintreten würde zunächst der Versicherer des Sozius, der vom Geschädigten in Anspruch genommen wird. In der Praxis wird das i. d. R. der Berufsträger sein, der den Verstoß begangen hat. Das muss jedoch nicht so sein. Auf Grund der Gesamtschuldnerschaft aller Sozien kann sich der Geschädigte auch einen anderen Sozius aussuchen, den er in Anspruch nehmen will.

Zunächst müsste der Versicherer auf Grund der Haftung seines in Anspruch genommenen Versicherungsnehmers (Sozius) Deckung gewähren. Hat er auch den Verstoß begangen, ist die Sache klar. Der Versicherer des verstoßenden Sozius zahlt den vollen Schaden. Dieses Leistungsversprechen gibt er dem Versicherungsnehmer durch den abgeschlossenen und bezahlten Versicherungsvertrag.

Hat er den Verstoß nicht begangen, müsste der Versicherer zwar auf Grund des Versicherungsvertrags auch zunächst leisten. Gemäß § 86 Abs. 1 VVG ginge jedoch durch seine Leistung der bestehende Innenausgleichsanspruch des Sozius gem. § 426 Abs. 2 BGB auf den Versicherer über. Dieser kann dann wiederum den verstoßenden Sozius (bzw. den Versicherer) in Regress nehmen.

Ist im konkreten Fall nicht eindeutig klar, wer den Verstoß begangen hat, sieht die gesetzliche Regelung auch jetzt schon eine Quotelung des Schadens zwischen den Versicherern vor (§ 86 VVG i. V. m. § 426 BGB).

Beispiel 2:

Der Wirtschaftsprüfer (WP) ist mit 1 Mio. € bei Versicherer A versichert, der Steuerberater (StB) mit 250 000 € bei Versicherer B. Der WP macht einen Fehler (= Verstoß), der zu einem Schaden von 1 Mio. € führt.

Variante 1:

Der Geschädigte nimmt den WP in die Haftung und Versicherer A zahlt die 1 Mio. € an den Geschädigten aus. Dies ist der eindeutige Fall.

Variante 2:

Jetzt wird jedoch der StB auf Grund des Fehlers des WP in die Haftung genommen. Versicherer B würde dem Geschädigten jedoch nur 250 000 € leisten, da sein Versicherungsnehmer (StB) auch nur mit 250 000 € versichert ist. Das würde dem Geschädigten mitgeteilt, wobei Versicherer B in der Praxis dem Geschädigten auch sagen würde, dass der StB nicht der richtige Haftungsadressat ist und auf Grund der Deckungssumme eine Versicherungslücke von 750 000 € verbliebe.

Gleichwohl müsste Versicherer B die Deckungssumme von 250 000 € theoretisch erst einmal an den Geschädigten leisten. Versicherer B würde jedoch den WP bzw. Versicherer A in Regress nehmen (§ 86 Abs. 1 VVG i. V. m. § 426 Abs. 2 BGB).

Das Hauptinteresse des Geschädigten ist, den gesamten Schaden ersetzt zu bekommen, egal von wem. Da dem Geschädigten auch nach der (theoretischen) Zahlung von Versicherer B noch 750 000 € fehlen würden, liegt nahe, dass er sich mit den erhaltenen Informationen gleich an den WP (bzw. Versicherer A) wenden würde, um den vollen Betrag zu erhalten.

Beispiel 3:

Gleiche Ausgangslage wie in Beispiel 2, allerdings ist der Fehler vom ge;)meinsamen Personal begangen worden und das Verschulden ist nicht eindeutig zuordenbar. Beide Sozien werden somit anteilig mit dem Schaden belastet (§ 426 Abs. 1 BGB).

Variante 1:

Der Geschädigte nimmt den WP in Anspruch. Auch hier würde Versicherer A den Schaden zunächst voll begleichen. Da das Verschulden jedoch beiden Sozien zugeordnet wird, kann Versicherer A 50 % des Schadens (= 500 000 €) gem. § 86 Abs. 1 VVG i. V. m. § 426 Abs. 2 BGB vom StB und Versicherer B verlangen. Versicherer B würde die Deckungssumme von 250 000 € hinlegen mit der Konsequenz, dass Versicherer A noch einen Anspruch von 250 000 € gegen den StB hat. Inwieweit der StB die 250 000 € aus seinem Privatvermögen bezahlen kann, sei dahingestellt.

In diesem Fall würde sich der Geschädigte sogar besser stellen als mit § 12 AVB Sozienklausel, da er vom Versicherer A den Schaden von 1 Mio. € voll ersetzt bekäme.

Da Versicherer A vom Versicherer B nur 250 000 € bekommt, würde Versicherer A, wenn der StB die fehlenden 250 000 € aus seinem Privatvermögen nicht begleichen kann, hier sogar einen Verlust von 250 000 € erleiden.

Mit Sozienklausel bekäme der Geschädigte in diesem Fall jedoch nur 625 000 €.

Variante 2:

 
Wahl der richtigen Versicherungs-summe von existenzieller Bedeutung

Der Geschädigte nimmt den StB in Anspruch. Hier würde Versicherer B die 250 000 € Deckungssumme begleichen. Den verbleibenden Betrag von 750 000 € könnte der Geschädigte nur noch beim WP (bzw. Versicherer A) geltend machen. Dieser würde jedoch auch nur 500 000 € (= Vertragsdeckungssumme/2) an Schadenzahlung leisten, da der Gesamtschaden i. H. v. 1 Mio. € auf beide Sozien anteilig verteilt würde, da das gemeinsame Personal den Schaden verursacht (verschuldet) hat.

Das Ergebnis wäre also in beiden Varianten das gleiche!

Auch hier zeigt sich, dass die Wahl der richtigen Höhe der Versicherungssumme von existenzieller Bedeutung ist, dies umso mehr, wenn der Berufsträger mit anderen Kollegen seine Berufstätigkeit in Sozietät ausübt.

Hinweis: Die exali.de Anwalts-Haftpflicht verzichtet im Schadenfall auf die Anwendung der Sozienklausel. Unsere Versicherungsnehmer erhalten, gemäß den dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen, wenn nötig, die volle Versicherungssumme – ohne Kürzung.

Im dritten Teil greift Gastautor Stefan Schwope auf, wie die Sozienklausel im Licht der aktuellen BGH-Rechtsprechung zur Sozietät (GbR) zu bewerten ist (Stichwort: Haftungsprinzip) – und wie die unterschiedlichen Versicherer damit umgehen.

Über den Autor

Stefan Schwope ist Dipl. Kaufmann, mit Schwerpunkt Versicherungswesen. Er kennt den deutschen Markt der Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherer seit mehr als 20 Jahren. Er war 18 Jahre bei GERLING tätig, zuletzt als stellvertretender Chief-Underwriter für das Vermögensschadenhaftpflicht-Geschäft und hat für andere Versicherer Produkte für Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte entwickelt.
Aktuell ist Stefan Schwope als Senior Technical Underwriter – WP, StB, Rae beim Spezialversicherer Markel International Deutschland tätig.

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