OLG Urteil gegen Amazon-Händler: Wer abmahnt, muss es selber richtig machen

Nur wenige Dinge lösen bei Onlinehändlern so starkes Unbehagen aus, wie der Gedanke an eine Abmahnung. Statistisch gesehen wurde 2017 jeder dritte Online-Händler abgemahnt, Tendenz steigend. Der Grund liegt auch in steigendem Wettbewerbsdruck. Dabei ist lange nicht jede Abmahnung vom Wettbewerber gerechtfertigt. Einen besonders absurden Fall hat nun das OLG Hamm entschieden…

Stein des Anstoßes: Eine Artikelseite bei Amazon

Wenn zwei dasselbe Produkt verkaufen, können sie sich selten leiden. So war es auch bei zwei eCommerce-Händlern, die Handyladegeräte über Amazon verkaufen. Diese werden in China hergestellt, von einer polnischen Firma importiert und schließlich von den beiden Online-Händlern in den deutschen Markt gebracht. Der Unterschied: Händler X hatte für das Produkt eine Artikelseite mit eigener ASIN erstellt und sich im Feld „von…“ (siehe Herstellerfeld in der Grafik) mit seinem Firmennamen eingetragen, Händler Y hängte sich mit seinem Produkt an diese an:

 

Was ist eine ASIN?

ASIN steht für „Amazon Standard Identification Number“. Das ist eine zehnstellige Produktidentifikationsnummer, ähnlich dem Barcode im Supermarkt (EAN). Dabei wird die ASIN exklusiv von Amazon verwendet. Wird ein Buch mit ISBN bei Amazon verkauft, ist diese stets identisch mit der ASIN, allen anderen Artikeln wird eine eigene ASIN zugeordnet. Zudem entschied das LG Düsseldorf, Urteil vom 20.01.2014, Az: 2a O 58/13, dass es sich bei ASINs um geschützte Kennzeichen handelt. Deswegen sind sie genauso markenrechtlich geschützt wie zum Beispiel das Amazon-Logo.

Gleiches Produkt, gleiche Seite

Durch das „Anhängen“ nutzte Händler Y neben der Artikelseite auch die Produktnummer von Händler X. Das ist bei Amazon üblich, so wird vermieden, dass es mehrere Seiten zum gleichen Produkt gibt. Onlinehändler X wollte sich dieses Vorgehen allerdings nicht gefallen lassen und mahnte den Trittbrettfahrer (Händler Y) ab.

Sein Argument: Das Angebot von Händler Y sei irreführend, weil es über die Herkunft der Ware täusche. Es entstehe nämlich der Eindruck, dass er (Händler X) der Hersteller des Produkts sei und das sei ja schließlich nicht der Fall. Er forderte Unterlassung und den Ersatz der Abmahnkosten. Händler X argumentierte hingegen, dass Amazons Geschäftsbedingungen kein anderes Vorgehen zulassen würden und das Vorgehen von Händler Y einzig und allein dazu diene, sich ungeliebte Wettbewerber vom Hals zu schaffen. Nachdem sich die beiden nicht außergerichtlich einigen konnten, landete der Streit vor dem Landgericht Bochum, das dem Kläger (Händler X) Recht gab. Der Beklagte (Händler Y) ging daraufhin in Berufung.

Das Urteil: Ein Wettbewerbsverstoß liegt vor, aber…

Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm, erlebten dann aber beide Händler eine Überraschung (Urteil vom 22.11.2018, AZ: I-4 U 73/18). Das Gericht bestätigte zwar, dass der Beklagte (Y) eine Täuschung begangen hatte, für die er auch abgemahnt werden könne, allerdings nicht vom Kläger (X)!

In ihrer Begründung stellten die Richter zunächst fest, dass der Beklagte, indem er sich an das Angebot des Klägers „angehängt“ hat, eine „Täuschung über die betriebliche Herkunft“ begangen hatte. Allerdings nicht durch das Anhängen selbst, denn dies sei tatsächlich durch Amazon so vorgegeben, sondern durch das Feld „von …“, in dem der Name des Klägers stand. So entstand für potenzielle Käufer der Eindruck, X sei der Hersteller des Produktes.

Doch trotzdem bekam der Kläger von den Richtern nicht Recht. Denn er hat dadurch, dass er seinen Namen in das „von“-Feld eingetragen hat, selbst suggeriert, dass er der Hersteller des Produkts sei – und damit das Handeln des Beklagten erst provoziert. Außerdem, so die Richter, könnte der Kläger die Irreführung selbst beenden, indem er einfach auf der Produktseite das „von“-Feld ändert. Ziel des Klägers sei es daher nicht, einen Wettbewerbsverstoß zu beseitigen, sondern seinem Konkurrenten zu schaden. Nach dem Grundsatz von „Treu und Glauben“ gemäß §242 BGB sei also ein Unterlassungsanspruch des Klägers ausgeschlossen, weil er selbst nicht schutzwürdig sei.

Kurz gesagt: Wer selbst den gleichen Wettbewerbsverstoß begeht, kann nicht einen anderen deswegen abmahnen.

Wie die Gerichte in Zukunft in ähnlichen Fällen entscheiden werden und ob dieses Urteil auf andere Sachverhalte übertragen werden kann, bleibt abzuwarten. In Fällen, wo der Abmahner aber gleichzeitig die Fehlerquelle für den Abmahngrund geschaffen hat, dürften die Chancen jedoch gut liegen.

Abmahnung erhalten: So handelt ihr richtig

Es gibt viele Gründe, eine Abmahnung zu erhalten. Aber in Panik zu geraten und überstürzt eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben, ist keine gute Idee. Wie Sie auf eine Abmahnung richtig reagieren, erfahren Sie in unserem Video:

 

 

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