Falsche Anschrift? „Zuverlässiger“ Adressen-Fail im Anwaltsbüro!

Sie ist die rechte Hand vom großen Star-Anwalt, bringt ihm Kaffee, wimmelt lästige Mandanten ab und macht ihm schöne Augen: die Rechtsanwaltsgehilfin. So zumindest das Bild, das uns in Fernsehsendungen vermittelt wird. In der Realität sieht’s da aber ganz anders aus; sie trägt eine große Verantwortung, ist zuverlässig und sorgfältig und verfügt über juristisches Know-how. Doch all die Lobeshymnen bekommen dann doch irgendwie einen Knacks, wenn eine Kanzleiangestellte es trotz Hinweis des Anwalts mehrfach verbummelt, ein und denselben Schriftsatz an das richtige Gericht zu adressieren; Fristversäumnis inklusive!

Unglaublich? Stimmt. Kürzlich ist’s trotzdem passiert! Warum am Ende aber der Anwalt seinen Kopf hinhalten musste, erfahren Sie jetzt im Namen der exali.de Info-Base.

Weisungsgebunden und doch eigenverantwortlich

Freundlich, zuverlässig und sorgfältig – die Trias der Attribute, die eine Kanzleiangestellte eigentlich auszeichnen. Von ihrer Kompetenz hängt oft sogar der Erfolg des Anwalts ab. Sie kümmert sich um Fristen, vereinbart Termine, führt sorgfältig Handakten und digitale Unterlagen und setzt anwaltliche Schriftsätze auf. An sich könnte der Rechtsanwalt ihr wohl blind vertrauen – „könnte“! Denn besser er tut es nicht und lässt seinen anwaltlichen Scharfblick doch nochmal über ihre Arbeit schweifen, immerhin trägt er auch die letzte Verantwortung!

Kein Fake! Ein praktischer Schadenfall wie im Anwaltslehrbuch...

Das hätte sich auch lieber mal die Anwältin aus dem folgenden Fall in Erinnerung rufen sollen, deren „stets zuverlässige“ Kanzleiangestellte kürzlich sicherlich für schmunzelnde Gesichter im Bundesgerichtshof (BGH) sorgte. Die Gehilfin legte ihrer Chefin einen Schriftsatz zur Unterschrift vor – leider mit der falschen Anschrift, was der aufmerksamen Rechtsanwältin natürlich nicht entging. Sie forderte ihre Mitarbeiterin auf, einen neuen Schriftsatz mit der richtigen Adresse aufzusetzen, ihr erneut vorzulegen und den alten zu vernichten.

Gesagt, getan: Der richtig adressierte Schriftsatz wird erneut vorgelegt, unterschrieben und könnte sich sogleich auf den Weg zu seinem Empfänger machen... Wäre da nicht die etwas zerstreute Gehilfin, die den richtigen Schriftsatz versehentlich vernichtet, um dann – zuverlässig wie sie ist –  den falsch-adressierten an das falsche Gericht zu senden, wodurch eine wichtige Frist versäumt wurde.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Der Anwalt muss es richten...

Ein äußerst grober Patzer in einem laufenden Verfahren. Die Anwältin versuchte zwar mit einem Fristverlängerungsgesuch und einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO nochmal die Kurve zu bekommen, aber sowohl das Oberlandesgericht als auch der letztinstanzlich angerufene Bundesgerichtshof (BGH-Urteil vom 22.07.2015, Az.: XII ZB 583/14) versagen diese Anträge, weil die Fristversäumung auf einem eindeutigen Anwaltsverschulden nach §85 Abs. 2 ZPO beruht.
Wenn die sonst auch noch so zuverlässige Kanzleimitarbeiterin bereits einmal einen Fehler bei der Adressierung gemacht hat, darf ihr im weiteren Ablauf schlicht nicht mehr blind vertraut werden, so der BGH:

„Ein Rechtsanwalt genügt der von ihm geforderten üblichen Sorgfalt jedenfalls dann nicht mehr, wenn er dieselbe Kanzleikraft, die zuvor weisungswidrig den falsch adressierten und von ihm unterzeichneten fristgebundenen Schriftsatz gefertigt hat, anweist, einen korrigierten Schriftsatz zu erstellen, diesen ihm zur Unterschrift vorzulegen und anschließend an das dort aufgeführte Gericht zu übersenden, ohne die Durchführung dieser Weisung durch weitere Maßnahmen abzusichern.“

Und nicht nur das: Die Entscheidung des BGH zählt eindringlich und überblicksartig alle eigenen Pflichten der Rechtsanwälte bei der Einlegung von Rechtsmitteln und der Mithilfe von Kanzleiangestellten auf. Am Ende muss – wie auch hier – stets der Anwalt für solche Fehler haften und die Schadenersatzforderungen des geschädigten Mandanten begleichen!

Kein Grund, die Anwaltsrobe an den Nagel zu hängen!

Den fehlerhaften Schriftsatz deutlich als solchen zu markieren oder einfach gleich durchzustreichen, wäre hier vielleicht die rettende Option gewesen. Hätte, wäre, wenn... Jetzt ist es eh schon passiert; das kann auch bei den besten Anwälten und den zuverlässigsten Angestellten einmal vorkommen! Also: Nicht gleich den Kopf in den Sand stecken und die Anwaltsrobe an den Nagel hängen! Genau für solche Fälle sind Anwälte mit ihrer Pflichtversicherung (Anwalts-Haftpflicht) von exali.de bestens gerüstet: Bereits im Grundbaustein Vermögensschaden-Haftpflicht sind unter anderem Beratungs- und Aufklärungsfehler, falsche oder gar verspätete Vorträge sowie derartige Fristversäumnisse durch ein Anwaltsverschulden (z.B. Verletzung der Sorgfaltspflicht) oder Büroversehen abgesichert.

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© Nicole Seibert – exali AG