BGH: Rechtsanwalt, der sich Spezialist nennt, muss nicht Fachanwalt sein

Was kann der Mandant erwarten, wenn sich ein Rechtsanwalt „Spezialist für Familienrecht“ nennt und was sagen die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dazu? Mit diesen Fragen musste sich nun der Bundesgerichtshof (BGH) befassen, die Entscheidung der Richter stellt die Branche vor neue Herausforderungen.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs und dessen Folgen sind heute Thema auf der InfoBase.

BGH urteilt zum Begriff „Spezialist“
Zur Begründung des BGH

Spezialist=Fachanwalt?

Ein Rechtsanwalt aus Freiburg hat im Jahr 2011 zusammen mit seinen Kanzleipartnern einen Briefkopf verwendet. Der beklagte Rechtsanwalt bezeichnete sich darin als „Spezialist für Familienrecht“, die beiden anderen Rechtsanwälten titulieren sich als „Fachanwältin für Familienrecht" beziehungsweise als „Fachanwalt für Miet-und Wohnungseigentumsrecht".

Die Rechtsanwaltskammer Freiburg hielt die Bezeichnung „Spezialist für Familienrecht“ wegen der Verwechslungsgefahr zum Begriff „Fachanwalt“ für irreführend und nahm den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch.

Nachdem sich sowohl das Landgericht Konstanz als auch das Oberlandesgericht Karlsruhe mit dem Fall befasst haben, wurde der Fall zuletzt vor dem Bundesgerichtshof behandelt (I ZR 53/13).

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BGH urteilt zum Begriff „Spezialist“

Der Bundesgerichthof befasste sich nicht mit der Frage, ob der Freiburger Rechtsanwalt den Titel „Spezialist für Familienrecht“ verwenden darf (diese Entscheidung muss nun erneut das OLG Karlsruhe treffen), sondern welche Anforderungen generell an einen Rechtsanwalt gestellt werden, der sich selbst „Spezialist“ für ein Fachgebiet nennen will.

Um die Erklärung der Richter einzuordnen, empfiehlt sich ein Blick auf den Begriff „Fachanwalt“.

Die jeweils zuständige Rechtsanwaltskammer vergibt die Berechtigung zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung nach Maßgabe der Fachanwaltsordnung. Um als Rechtsanwalt eine Fachanwaltsbezeichnung zu erhalten, muss nachgewiesen werden, dass der Antragsteller über besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen in dem betreffenden Rechtsgebiet verfügt.
Um diese Kenntnisse nachzuweisen wird in der Regel verlangt, dass ein Kurs (ca. 120 Stunden) und drei Klausuren zu je fünf Stunden absolviert und bestanden werden. Zudem muss eine besondere praktische Erfahrung nachgewiesen werden. Dazu muss der Anwalt nachweislich in den letzten 3 Jahren eine Mindestanzahl an juristischen Fälle im Fachgebiet persönlich und weisungsfrei bearbeitet haben.
Ein einzelner Rechtsanwalt kann bis zu drei Fachanwaltsbezeichnungen führen.

Unter der Berücksichtigung der Anforderungen an den Fachanwalt ist verständlich, dass die Freiburger Rechtsanwaltskammer Anstoß am Begriff „Spezialist für Familienrecht“ genommen hat und eine Irreführung befürchtete.

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Zur Begründung des BGH

Der BGH hat nun entschieden, dass die Bezeichnung als „Spezialist“ erlaubt ist, solange durch den Rechtsanwalt eine Qualifizierung nachgewiesen werden kann, die mindestens der eines Fachanwalts entspricht. Aus der Urteilsbegründung des BGH:

Der Satzungsgeber hat „ausdrücklich die Angabe von qualifizierenden Zusätzen wie “Spezialist”, “Spezialgebiet” oder “Experte” für zulässig angesehen[…]. Die Verwendung solcher Zusätze wird jedoch davon abhängig gemacht, dass der entsprechend werbende Rechtsanwalt seine Angaben rechtfertigende theoretische Kenntnisse besitzt und auf dem betreffenden Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen ist. Je intensiver der Rechtsanwalt Teilbereiche seiner Berufstätigkeit werbend herausstellt, desto fundierter müssen seine Kenntnisse und praktischen Erfahrungen sein (BRAK 2006, 212).

Ein Mandant, der auf der Suche nach einem Rechtsbeistand ist, kann von einem „Spezialisten“ demnach die theoretischen und praktischen Kenntnisse eines „Fachanwalts“ verlangen. Ein Rechtsanwalt, der sich selbst als „Spezialist“ bezeichnet, muss dieses Wissen jedoch nachweisen können.

„Dem Beklagten obliegt der Nachweis, dass er die Anforderungen eines Spezialisten auf dem Gebiet des Familienrechts erfüllt. Dies ergibt sich schon aus §7 Abs.1 Satz 1 und 2 BORA. Jedenfalls folgt dies aus allgemeinen Grundsätzen zur Verteilung der Darlegungs-und Beweislast. Durch die Bezeichnung als Spezialist nimmt der Beklagte für sich in Anspruch, zu einer Spitzengruppe der im Familienrecht tätigen Anwälte zu gehören. Nach der Senatsrechtsprechung muss der Beklagte, der eine Spitzenstellung - nichts anderes gilt für die Zugehörigkeit zu einer Spitzengruppe - für sich in Anspruch nimmt, die sie begründenden Tatsachen darlegen und beweisen, wenn seine Werbung als unrichtig beanstandet wird und die klagende Partei diese Tatsachen entweder überhaupt nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten aufklären kann. […]“

Ob es dem Freiburger Rechtsanwalt nun vor dem OLG gelingt, die entsprechende Qualifikation nachzuweisen, bleibt abzuwarten.

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