Aus Gegenwind wird Rückenwind? Schlagabtausch um Adblock Plus!

Ein kurzes „Plop“ und frech blinzelt eine Werbeanzeige auf der besuchten Webseite um die Ecke; oben blinkt ein Werbebanner zu besonderen Wellness-Angeboten, rechts bewegen sich Shopping-Angebote auf und ab. Wo man auch hinsieht – Werbung begegnet einem im Internet überall. Klar, denn viele Portale, Nachrichten- und andere Medienseiten leben ausschließlich davon, um den Nutzern Contents kostenfrei anzubieten. Dennoch sind diese wiederum genervt und fühlen sich bei ihren Internetrecherchen gestört. Der Ausweg: Werbeblocker wie Adblock Plus, deren Entwickler natürlich den Groll der Werbenden auf sich ziehen.

Auf welchem hochexplosiven Minenfeld dieser Widerstreit der Interessen beruht und wie sich Softwareentwickler finanziell schützen können, falls ihr entwickeltes IT-Produkt vor Gericht unter Beschuss gerät? Auf der exali.de Info-Base wird’s heute verraten!

Update Juni 2018: AdBlock Plus siegt nun auch vor dem Bundesgerichtshof

Nachdem der Axel Springer Verlag in der Vergangenheit mehrfach im Streit um ein Verbot von AdBlock Plus gescheitert ist, hat nun der BGH ein vorläufiges „Machtwort“ gesprochen. Auch der Bundesgerichtshof sieht die Geschäftspraxis des Unternehmens Eyeo nicht als „rechtwidrig aggressiv“ an. Das Angebot von AdBlock Plus sei darüber hinaus auch kein Fall unlauteren Wettbewerbs. So die Entscheidung des ersten Zivilsenats.

Ganz ausgestanden ist der Streit allerdings noch nicht, denn die Kläger vor dem OLG München hatten im letzten Jahr ebenfalls angekündigt vor den BGH ziehen zu wollen. Auch der Axel Springer Verlag möchte noch weitere rechtliche Register ziehen und Verfassungsbeschwerde einlegen.

 

Update August 2017: Drei Medienhäuser scheitern mit ihrer Klage gegen AdBlock Plus vor dem Oberlandesgericht München.

Und wieder hat sich etwas getan im Streit um Adblocker. Diese verstoßen nicht gegen geltendes Recht! Das entschied nun auch das Oberlandesgericht München. Die Vorwürfe der Kläger (Süddeutsche Zeitung, IP-Deutschland und ProSiebenSat1) wies das Gericht zurück. Weder einen Marktmissbrauch, noch eine aggressive geschäftliche Handlung konnten die Richter erkennen. Auch ein technisches Gutachten, mit dem die Kläger AdBlock Plus eine gezielte Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen nachweisen wollten, überzeugte das OLG nicht. „Das Urteil bestärkt wieder einmal die Nutzerrechte, für die wir uns mit unseren Produkten einsetzen“, erklärt Eyeo-Chef Till Faida nach dem Urteil, wie heise.de berichtet. Das letzte Wort dürfte auch jetzt nicht gesprochen sein. Alle Parteien erklärten, Notfalls bis zum Bundesgerichtshof zu gehen. Wir bleiben natürlich weiterhin an dem Fall dran.

Worum geht es in dem Fall? Hier können Sie ihn in unserem Artikel vom Mai 2015 nachlesen:

Umstrittener Werbungsfilter

„Für ein Web ohne nervige Werbung!“. Mit dieser Devise ging Wladimir Palant 2006 ans Werk, um Internetnutzern eine Möglichkeit aufzuzeigen, lästige Werbung zu blockieren und ungehindert im Netz zu surfen. 2011 gründete er gemeinsam mit Till Faida gezielt das deutsche Unternehmen Eyeo Plus, das sich ausschließlich um die nachhaltige Entwicklung des Browser-Add-ons Adblock Plus (ABP) kümmert. Mit Erfolg! Viele Internetnutzer greifen heute dankend auf den Werbeblocker zurück, um sich vor der im Zeitalter der Digitalisierung zunehmenden und aufdringlicher werdenden Werbung abzuschotten; zumal sie auch noch selbst entscheiden können, was sie sehen wollen und was nicht. Weniger nützlich und sogar als wettbewerbsbehindernd gemäß § 4 Nr. 10 UWG stufen dagegen Verlage, diverse Publisher und andere Medienseiten die Software Adblock Plus ein – ein Widerstreit der Interessen, denn woraus die einen Mehrwert ziehen, ist den anderen ein gewaltiger Dorn im Auge.

Windiger Fight um Wettbewerbs-, Kartell- und Urheberrecht

So auch der „Zeit Online“ und dem „Handelsblatt“. Sie prangerten die für sie wettbewerbsbehindernd anmutenden Geschäftspraktiken des Adblock-Plus Anbieters vor dem Landgericht Hamburg an. Nun sprachen die Richter das für die Kläger doch recht ernüchternde Urteil (LG Hamburg, Urteil vom 21.04.2015, Az.: 416 HK O 159/14): Werbeblocker stellen keine wettbewerbswidrige Behinderung dar. Zwar ist das Urteil bisher nicht im Volltext einzusehen, aber laut Rechtsanwalt Timo Schutt betonte das Gericht , dass „es dem einzelnen Internetnutzer freistehen müsse, ob er Online-Werbung sehen möchte oder diese auszublenden versucht. Daran würde auch die etwaige Möglichkeit einer entgeltlichen Aufnahme in die Whitelist nichts ändern.“

Die Whitelist ist der wohl größte Kritikpunkt an der Methodik der Werbeblock-Anbieter: Sind Anbieter drauf gelistet, werden ihre Werbeanzeigen – insofern sie diese selbst als akzeptabel eingestuft hatten – trotz aktiver und umfassender Block-Software angezeigt. Können kleinere Unternehmen sich kostenfrei auf die Liste setzen lassen, müssen größere Unternehmen ein Entgelt leisten. Dass dadurch Argwohn geschürt wird ist klar, ein Verstoß gemäß § 4 Nr. 10 UWG ist dennoch nicht begründet. Immerhin liegt bei der unentgeltlichen Nutzung zum einen nicht einmal eine „geschäftliche Handlung“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vor, zum anderen stehen die Parteien allgemein nicht demselben Rezipientenkreis gegenüber und somit in keinem Wettbewerbsverhältnis.

Bleibt diese Argumentationslinie erfolglos, stützen viele Kläger laut Telemedicus, dem juristischen Internetportal, ihre Klage auch auf das Kartell- bzw. Urheberrecht. Auch hier ist ein Erfolg aber eher nicht anzunehmen: Kann eine „marktbeherrschende Stellung“ gemäß §19 GWB aufgrund des per se nicht-existierenden Marktes im Sinne des Kartellrechtes ausgeschlossen werden, ist auch die Erwägung einer Urheberrechtsverletzung zu vernachlässigen, denn in den urheberrechtlich geschützten Quellcode der Webseite wird nicht eingegriffen, lediglich der Download der Werbung wird verhindert.

Nicht die einzige Klage dieser Art

Der Adblock Plus Anbieter Eyeo GmbH zeigt sich in einer Mitteilung auf seinem Blog äußerst zufrieden mit der Entscheidung des Gerichts. Natürlich können sie so auch mit Rückenwind auf die noch ausstehenden Urteile warten, denn längst war diese Klage nicht die einzige ihrer Art. Mittlerweile müssen sich sogar mehrere Gerichte damit auseinandersetzen, ob Werbeblocker zulässig sind oder tatsächlich gegen das Wettbewerbs-, Kartell- oder Urheberrecht verstoßen. Die ersten, die vor dem Landgericht München erbitterten Widerstand gegen die Betreiber des Werbeblockers regten, waren die Vertreter von Pro Siebens Seven-One Media sowie die Vermarkter der RTL Tochtergesellschaften RTL Interactive und IP Deutschland. Bald zogen auch die Axel-Springer-Verlagshäuser nach und reichten am Landgericht Köln Klage gegen den Adblock-Plus-Anbieter ein. Beides bisher ohne endgültigen Entscheid, weshalb das Urteil des Landesgerichtes Hamburg hier wohl für einiges an Aufsehen sorgen dürfte – wir bleiben dran!

Abwehr von Ansprüchen? Der passive Rechtsschutz hilft!

Da hatten die Adblock-Plus Entwickler – bisher zumindest – also noch einmal Glück. Wäre der Fall anders ausgegangen, hätte die extra entwickelte Software im Worst Case vom Markt genommen werden müssen. Doch trotz des positiven Ausgangs, bringt ein solches Verfahren eine ordentliche Schippe Ärger und Mehrkosten (z.B. Anwaltskosten) mit sich, die wertvolle Zeit kostet und einen erheblichen Image-Schaden verursachen kann.

Das muss man sich erstmal leisten können! Gerade für freiberufliche Softwareentwickler und kleine Softwareschmieden, die nur geringe finanzielle und zeitliche Ressourcen zur Verfügung haben, ist es besonders heimtückisch, wenn ein innovatives IT-Produkt entwickelt wurde, das sich dann in einem Kreuzfeuer der Klagen wiederfindet. In diesem Fall hilft es, wenn man sich als Softwareentwickler zumindest auf seine IT-Haftpflicht-Versicherung verlassen kann, die wie bei exali.de den „Passiven Rechtsschutz“ als Leistungskomponente integriert. Neben den Leistungen für den Schadenersatz und die professionelle Schadenregulierung sind hier auch außergerichtliche und gerichtliche Kosten (z.B. Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen-, Gerichts-, Reisekosten) optimal abgedeckt, sofern der Softwareentwickler wie im hier beschriebenen Fall ungerechtfertigt in Anspruch genommen wird.

Update Mai 2015: Zweite Niederlage im Rechtsstreit gegen Adblock-Plus-Betreiber

Wie gesagt: Wir bleiben dran! Schon wenige Stunden nach Veröffentlichung dieses Textes ist die Katze aus dem Sack: Auch die Klage von Pro Siebens Seven-One Media und der RTL Tochtergesellschaften RTL Interactive und IP Deutschland wurden zurückgewiesen. Adblock Plus darf also auch weiterhin blocken! In einer Kurzmitteilung zum Thema heißt es, dass das Plugin "weder gegen Wettbewerbsrecht, noch Kartellrecht, noch gegen das Urheberrecht verstößt." Eine Rechtsverletzung sei dementsprechend nicht gegeben - die gleiche Urteilsbegründung, die schon das LG Hamburg im April nannte. Mal abwarten, ob wir bereits morgen das Urteil der Kölner Richter auf dem Tisch haben.

Weiterführende Informationen:

© Nicole Seibert – exali AG