Prinzipien eines Spezialversicherers: Interview mit Hiscox Vorstandsvorsitzendem Robert Dietrich
Für unser erfolgreiches Deckungskonzept zur IT Berufshaftpflicht- arbeiten wir von exali mit der deutschen Niederlassung des britischen Spezialversicherers Hiscox schon seit einigen Jahren erfolgreich zusammen. Doch wer steckt hinter diesem Spezialversicherer? Mit Robert Dietrich, dem Vorstandsvorsitzendem der Hiscox AG und Hauptbevollmächtigtem der Hiscox Insurance Company Ltd., Niederlassung für die Bundesrepublik Deutschland, haben wir uns über britische Gepflogenheiten, die Bedeutung von Fairplay und die Prinzipien der Hiscox unterhalten. Ein Interview.
Bedarfsgerechte IT-Berufshaftpflicht für den MarktDeutschland und UK
Spezialisierung und Fokussierung: Die Prinzipien der Hiscox
Aus der Praxis: Typisch britischer Versicherungsfall
“Eine Versicherung muss im Schadenfall ihre wirkliche Qualität unter Beweis stellen”
Seit zehn Jahren ist der studierte Versicherungs- und Managementexperte Robert Dietrich bei der Hiscox tätig - zwölf Monate (2005) davon verbrachte er im Londoner Mutterhaus der Versicherung. Dort war er für die Steuerung von Spezialprojekten verantwortlich, zu denen auch der Aufbau einer neuen Plattform für die IT-Kunden der Hiscox gehört hat - und ist damit ein absoluter Experte auf diesem Gebiet.
Sehr geehrter Herr Dietrich, in Großbritannien gibt es nicht nur weit mehr selbstständige IT-Experten als in Deutschland, dort hat generell externe IT-Beratung eine viel längere Tradition. Wo liegen die Haupt-Unterschiede beider Märkte?
Dietrich: Wie Sie sagen, ist es in Britannien durchaus üblich, dass Firmen externe Programmierer für ein Projekt hinzuziehen und größere IT-Firmen Subunternehmen für Projekte einbinden - womit automatisch auch der Markt dort generell größer ist. Die Vorzüge der Selbstständigkeit sind für eine Vielzahl von IT-Experten so groß, dass sie zum Beispiel mehr als zehn Jahre für ein Unternehmen Vollzeit arbeiten - ohne sich fest anstellen zu lassen. Das funktioniert auch deshalb, weil sich der IT-Projektmarkt durch eine enge Netzwerkverbindung auszeichnet ... eine Entwicklung, die man allerdings auch in Deutschland verstärkt beobachten kann.
In Großbritannien gibt es das Phänomen der Umbrella Companies, die für die meisten IT-Selbstständigen die Vertrags- und Rechnungsabwicklung übernehmen ...
Dietrich: Genau: Dass es Umbrella Companies gibt, hat zu einer Professionalisierung des Freelancermarktes in UK geführt. Und es hat den Vorteil: Die selbstständigen IT-Experten können sich auf den Kern Ihrer Tätigkeit konzentrieren.
Und was fordern solche Organisationen im Gegenzug vom IT-Experten?
Dietrich: Zum Beispiel, dass der Abschluss einer IT Berufshaftpflicht von den Umbrella Companies zwingend vorausgesetzt wird, da die Auftraggeber der IT-Freelancer eine solche Absicherung als Voraussetzung für die Auftragsvergabe vorgeben.
Und wenn der IT-Freelancer keine IT Berufshaftpflicht besitzt?
Dietrich: Dann hat er in der Regel ein Problem, denn die IT Berufshaftpflicht gehört zum Unternehmen und Unternehmer (wie es der IT-Selbstständige bzw. freiberufliche IT-Experte ja ist) wie die Betriebseinrichtung. Dies ist nicht nur die Voraussetzung für eine Auftragserteilung, sondern auch ein Qualitätsmerkmal.
Das klingt sehr nach ungewollter Zwangsverpflichtung ...
Dietrich: ... die in Großbritannien jedoch genau anders interpretiert und verstanden wird. Hier wird die Versicherung mehr als ein Partner gesehen, der im Schadenfall dabei hilft, eine schwierige Situation zu lösen und zu vermitteln.
Auch wenn in UK das Miteinander von freiberuflichen IT-Experten und Versicherung eine lange Tradition hat können Sie sich als Versicherer nicht auf dem Erfolg ausruhen. Welchen Anforderungen müssen sie sich stellen?
Dietrich: Das ist eine Frage, auf die ich sehr lange antworten könnte - und bei der ich nur auf unser Haus eingehen möchte. Unsere Umwelt verändert sich ständig und gerade im IT-Bereich ist die Entwicklung rasant. Für einen Spezialversicherer wie uns bedeutet dies, dass wir ständig am Marktgeschehen teilnehmen müssen, um verstehen zu können, welche neuen Bedürfnisse unsere Kunden haben.
Am Markt teilnehmen - wie muss man sich das vorstellen?
Dietrich: Die Zeiten, in denen der Versicherer vom Büro aus versucht hat, den Markt zu beurteilen, sind endgültig vorbei. Sie brauchen heute Mitarbeiter, die auch aktiv nach außen gehen, auf Messen und Veranstaltungen die neuesten Trends kennen lernen und die Sprache der Kunden sprechen, indem sie eben viel mit den Kunden sprechen.
Ein weiterer, sehr wichtiger Punkt beim Thema “Teilnahme” ist sicherlich, unsere Kollegen im Schadenbereich frühzeitig einzubeziehen. So macht es bei größeren Unternehmen durchaus Sinn, einen Schadenspezialisten schon bei der Vertragsgestaltung einzubinden und wertvolle Hinweise auf das Risk-Management zu geben.
Warum lohnt es sich dabei, frühzeitig den Kontakt zu seinem Versicherer zu pflegen?
Dietrich: Der große Vorteil ist: Es entstehen partnerschaftliche Beziehungen - die Wege werden bei einem Schaden dann auch sehr kurz, da ein grundsätzliches Verständnis vorhanden ist.
Eine Versicherung muss im Schadenfall ihre wirkliche Qualität unter Beweis stellen. Wir sprechen hier vom aktiven Schadenmanagement, was bedeutet, dass wir schon in einem sehr frühen Stadium versuchen mit den Parteien zu kommunizieren und nach Lösungen für das Problem zu suchen. Oftmals können dadurch größere Schäden vermieden und die Beziehung unseres IT-Kunden zu seinem Auftraggeber gerettet werden.
Zurück nach Großbritannien: Welchen speziellen beruflichen Risiken müssen sich britische IT-Selbstständige stellen?
Dietrich: Ich denke, dass die beruflichen Risiken der britischen IT-Selbstständigen sehr vergleichbar mit den Risiken der deutschen Kollegen sind. Hier wie dort müssen wir generell feststellen, dass sich die Anspruchsmentalität der Auftraggeber ständig verschärft. Denn: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erlauben es keinem Unternehmer, auf Regressmöglichkeiten zu verzichten.
Dann gibt es folglich auch kaum Unterschiede zwischen UK und Deutschland hinsichtlich der IT Berufshaftpflicht?
Dietrich: Doch. Noch. Einer der maßgeblichen Unterschiede ist der Umstand, dass in Großbritannien die Versicherungslösungen stets eine Trennung von Vermögensschäden und Personen- und Sachschäden vorsehen. Das ist bei uns in Deutschland - zumindest im Bereich der ITBerufshaftpflicht - völlig anders gelagert: Alle aus unserer Sicht maßgeblichen Risikoträger bieten in Deutschland ein Produkt an, welches Versicherungsschutz für Personen-, Sach- und Vermögensschäden in einer Police anbietet.
Außerdem kennt der britische Markt nicht die deutschen AHB...
AHB?
Dietrich: Das sind die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung. Indem wir die deutschen AHB außen vor lassen, können wir einen deutlich besseren Versicherungsschutz anbieten. Sie werden von unserer Seite bei Verzugsschäden, bei Schäden wegen entgangenem Gewinn oder bei Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung nicht den Einwand hören, dass ein solcher Schaden dem durch die AHB ausgeschlossenen Erfüllungsbereich zuzuordnen ist.
Es scheint, ein Versicherer mit “britischer Mutter” bietet für einen deutschen IT-Experten eine Menge Vorteile ...
Dietrich: Ich würde nicht von den Vorteilen britischer Versicherer generell sprechen, sondern möchte in diesem Zusammenhang kurz unsere Kompetenz schildern: Hiscox hat vor mehr als zehn Jahren den Bereich TMT (Technology-Media-Telecommunication) gegründet, um die Bedürfnisse von Kunden aus diesem Bereich besser zu verstehen und natürlich auch bessere Leistungen anbieten zu können. Heute arbeiten im Bereich TMT nahezu 50 Underwriter und Schadenspezialisten, die alle in der Nähe unserer Kunden in Kontinentaleuropa, Großbritannien und USA arbeiten.
Einfach gesagt: Der Vorteil von Hiscox liegt in unserer jahrelangen Spezialisierung und Fokussierung.
Britisches Fairplay - wie wirkt sich das beim Thema Versicherungen aus?
Dietrich: Britisches Fairplay ist an sich eine Selbstverständlichkeit. Wir halten das Versprechen, das wir durch einen Hiscox-Versicherungsvertrag gegenüber unseren Kunden abgeben. Wir gehen aber auch noch einen Schritt weiter: Deshalb suchen wir bei der Schadenbearbeitung nach Gründen, warum ein Schadenfall versichert ist und suchen nicht nach Gründen, weshalb kein Versicherungsschutz besteht.
Eine andere Philosophie ist für uns als Spezialversicherer überhaupt nicht vorstellbar, da Qualität und Service den Unterschied zu nicht so spezialisierten Risikoträgern ausmachen.
Können Sie uns einen typisch britischen Versicherungsfall schildern?
Dietrich: Natürlich. Folgender Fall zum Beispiel würde sich gut unter dem Titel “Teures Benchmarking” zusammenfassen lassen: Ein großes Telekommunikationsunternehmen hat seinen weltweiten IT-Service an einen IT-Dienstleister ausgelagert. Unser Versicherungsnehmer erhielt von diesen beiden Unternehmen den Auftrag, Benchmarking-Studien über die erbrachten IT-Services des IT-Dienstleisters zu erstellen. Eine dieser Studien kam zu dem Ergebnis, dass die geleisteten IT-Services zu teuer abgerechnet wurden - daraufhin kündigte das Telekommunikationsunternehmen den Servicevertrag.
Im anschließenden Rechtstreit einigten sich die Parteien auf eine Zahlung von 95 Millionen Euro durch den IT-Dienstleister, der wiederum diesen Betrag im Wege des Regresses gegenüber unserem Versicherungsnehmer geltend machen wollte. Das Argument: Angeblich sei die erstellte Studie fehlerhaft gewesen. Nach Einschaltung unserer Schadenabteilung verständigten sich unser Versicherungsnehmer sowie der IT Dienstleister auf eine symbolische Zahlung von 2,5 Millionen Euro.
Das typisch Britische an diesem Schadenfall ist der Pragmatismus, mit dem dieser Fall gelöst wurde. Unser Hauptaugenmerk galt zwei Punkten: Zum einen war uns daran gelegen, die Kriterien des Benchmarkings für die Zukunft so zu definieren, dass vergleichbare Situationen nicht wieder auftreten. Zum anderen ging es uns darum, einen enorm zeit- und kostenintensiven Rechtsstreit durch ein sinnvolles Vergleichsangebot zu verhindern. Beides ist uns in Zusammenarbeit mit unserem Versicherungsnehmer gelungen.
Das exali-Team dankt herzlich für das Gespräch.