Wer haftet wann und wie? - Vertragliche vs. gesetzliche Haftung
Sie haben einen Auftrag an Land gezogen und jetzt flattert Ihnen per Post der entsprechende Vertrag ins Haus, den Sie unterschreiben und zurückschicken sollen. Die vielen juristischen Begriffe können teilweise verwirrend oder gleich ganz unverständlich sein. Besonders bei der Haftung sollten Freiberufler:innen trotz undurchsichtigem Juristendeutsch genau hinschauen. Denn ein kleines Wort macht den Unterschied und kann bei fehlender Absicherung teuer werden. Ein Überblick zum Thema Haftung.
Die Basics der Haftung
Haftung ist ein juristischer Begriff, der die Pflicht bezeichnet, für einen entstandenen Schaden einzustehen, der einer anderen Person (natürlich oder juristisch) zugefügt wurde; und zwar sowohl direkt als auch indirekt. Bei dem Schaden kann es sich um einen Personenschaden, einen Sach- oder Vermögensschaden handeln. Die Haftung ist ein wesentlicher Bestandteil von Verträgen zwischen Parteien – und damit eben auch im Freelancer-Business.
Schließlich muss irgendjemand für Schäden aufkommen, die in einer Geschäftsbeziehung entstehen können. Doch auch ohne vertragliche Regelungen kann es sein, dass der Selbständige in Haftung genommen wird.
Den Unterschied zwischen gesetzlicher und vertraglicher Haftung wollen wir etwas genauer anschauen.
Die gesetzliche Haftung erklärt
Die gesetzliche Haftung wird auch als Haftpflicht bezeichnet und beschreibt die sich aus einer gesetzlichen Bestimmung ergebende Verpflichtung des Schädigers, dem Geschädigten den Schaden zu ersetzen. Im Klartext: Wer etwas kaputt macht, muss laut Gesetzgeber dafür zahlen. Die Bestimmungen dazu finden sich überwiegend im Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 241 bis 853).
Grundsätzlich gilt der Ausspruch „Ohne Gesetz keine Haftung.“ Wer also einen Schadenersatzanspruch geltend machen will, muss dazu nachweisen, dass sich sein Anspruch aus einem entsprechenden Gesetz ergibt (juristisch, dass rechtswidrig gehandelt wurde).
Gesetzliche Haftung kurz zusammengefasst:
- Anspruch muss gesetzlich begründet sein
- Schadenersatz in der Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens
Die vertragliche Haftung erklärt
Für die vertragliche Haftung kommt es allein darauf an, welche Vereinbarungen die Vertragsparteien in ihrem Vertrag getroffen haben. Ob der Vertrag schriftlich oder mündlich getroffen wurde, spielt theoretisch keine Rolle, allerdings sind im Schadenfall schriftliche Vereinbarungen leichter nachzuweisen als mündliche. Folgende Vereinbarungen sind in Verträgen häufig zu finden:
Haftungsverschärfung: Der Vertrag bestimmt wann und wie der:die Selbständige haften muss
Bei der vertraglichen Haftung verpflichtet sich der:die Selbständige (Freelancer:in) per Vertrag zusätzlich zur gesetzlichen Haftung auch dann Schadenersatz zu zahlen, wenn er die Pflichten aus dem Vertrag schlecht oder überhaupt nicht erfüllt. Einfach gesagt: Liefert der:die Selbständige nicht genau so ab, wie es der Vertrag vorsieht, muss er:sie zahlen, auch wenn er:sie dazu per Gesetz vielleicht nicht verpflichtet wäre. Weil Selbständige bei derartigen Vertragsklauseln deutlich umfassender haften als sie per Gesetz müssten, spricht man hier von einer Haftungsverschärfung.
Der:die Freelancer:in kann auch ohne Schuld haftbar gemacht werden
Darüber hinaus kann der:die Selbständige oder Freiberufler:in durch Klauseln im Vertrag auch verpflichtet sein, verschuldensunabhängig zu haften (z. B. im Rahmen eines Service Level Agreements). Einfach gesagt: Der:die Selbständige verpflichtet sich per Vertrag auch zu haften, wenn er:sie keine direkte Schuld daran trägt, dass er:sie vertraglich vereinbarte Leistungen nicht erbringen kann.
Ein Beispiel aus der Praxis: Der:die selbständige ITler:in kann das vereinbarte Service Level Agreement zur Reaktionszeit nicht einhalten, weil durch einen Stromausfall sein:ihr Internet lahmgelegt wurde und er:sie die wichtige E-Mail seines:ihres Kunden nicht abrufen kann. Dennoch haftet er:sie dafür, dass er:sie seiner:ihrer vertraglich vereinbarten Pflicht zur vereinbarten Zeit nicht nachgekommen ist.
Nicht immer muss ein Schaden nachweisbar sein
Schadenersatz wird in der Regel – wie der Name sagt – für einen tatsächlich entstandenen nachweisbaren Schaden bezahlt. Anders jedoch bei pauschalem Schadenersatz, der inzwischen in vielen Verträgen vereinbart wird. Hier orientiert sich die Schadenersatzsumme nicht am tatsächlich entstandenen Schaden. Die beiden Vertragsparteien legen bei Vertragsschluss fest, wie hoch die zu zahlende Summe ist, wenn vertraglich vereinbarte Leistungen nicht oder verspätet erbracht werden. In der Praxis könnte ein Vertrag zum Beispiel einen pauschalen Schadenersatz vorsehen, wenn der:die Selbständige den Auftrag nicht rechtzeitig erfüllt. Für eine verpasste Deadline müsste der:die Selbständige z. B. pro Woche Verzögerung pauschal 10 Prozent des Auftragswertes als pauschalen Schadenersatz bezahlen, ohne dass der:die Auftraggeber:in nachweisen muss, dass ihm:ihr durch die Verspätung tatsächlich ein Schaden in dieser Höhe entstanden ist.
Wenn der:die Selbständige noch mehr Haftung übernehmen muss
In der IT und Medienbranche sind zudem auch Haftungsfreistellungen in Projektverträgen üblich, welche die Haftung im Vergleich zur gesetzlichen Haftung deutlich verschärfen. Findet sich im Vertrag eine Haftungsfreistellung, unterschreibt der Selbständige im Vorfeld, dass er für alle möglichen Schadenfälle in Zusammenhang mit seiner Dienstleistung geradesteht, ohne mit dem:der Auftraggeber:in über dessen Mitschuld zu verhandeln.
Einfach gesagt: Der:die Auftraggeber:in gibt eventuelle Forderungen direkt an den:die Freelancer:in weiter. Der:die Freelancer:in muss dann direkt mit demjenigen verhandeln, der den Schadenersatz fordert – der:die Auftraggeber:in ist „fein raus“. Ohne Haftungsfreistellung müsste sich der:die Auftraggeber:in zunächst mit demjenigen, der Forderungen stellt, auseinandersetzen und im Nachhinein versuchen den Schadenersatz, sofern berechtigt und bezahlt, von dem:der Selbständigen wiederzubekommen (Regress zu fordern). Für Selbständige steigt damit die Gefahr, direkt selbst in Anspruch genommen zu werden – selbst wenn sie nicht alleine an dem entstandenen Schaden beteiligt waren. Daher birgt so mancher Vertrag Zündstoff in Sachen Haftung.
Alle Infos zur gesetzlichen und vertraglichen Haftung gibt es auch in unserem Video:
Wer trägt die Kosten? Welche Haftung kann versichert werden?
Die Bezeichnung der gesetzlichen Haftung als Haftpflicht dürfte bereits klarmachen, dass Schadensersatzansprüche, die sich daraus ergeben, von der Haftpflichtversicherung gedeckt sind – im Arbeitsalltag eben von der Berufshaftpflichtversicherung.
Bei der vertraglichen Haftung ist das nicht so einfach: Ein Großteil der Versicherungen lehnt die Übernahme von Kosten aus vertraglicher Haftung ab, die über die gesetzliche Haftpflicht hinausgehen. Das hat den Hintergrund, dass die durch die zusätzlich getroffenen Vereinbarungen übernommenen Risiken schwieriger für den Versicherer zu kalkulieren sind.
Dennoch haben Freelancer:innen und Selbständige oftmals keine Wahl bzw. keinen Verhandlungsspielraum, die haftungsverschärfenden Regelungen abzulehnen, da der:die Freiberufler:in häufig in der schwächeren Verhandlungsposition ist.
Bei exali.de ist die vertragliche Haftung versichert
Die gute Nachricht zum Schluss: Die Berufshaftpflichtversicherungen über exali.de schließen verbraucherfreundlich die vertragliche Haftung mit ein – damit Sie als Freiberufler:in oder Selbständige:r keinen Nachteil erleiden, nur weil Sie den Wünschen des Geschäftspartners gerecht werden müssen.
© Nele Totzke – exali AG